Pepper Defense

So einige Peppersprays und -guns liegen bei mir schon rum. Das bringt die Arbeit als Redakteur so mit sich. Aber die richtige Einordnung, welches Tool für welchen Zweck ist, fehlte mir so völlig. Also habe ich sie verglichen.

Ganz schön scharf!
Ganz schön scharf!

Um es direkt zu sagen, ein Verteidigungstool mit Pepper-Wirkstoff ist nicht mein Mittel der Wahl. Ich verteidige mich lieber mit einer taktischen Taschenlampe oder nutze mein Wissen aus dem Kampfsport und der waffenlosen Selbstverteidigung

Aber es sind sehr viele da draußen, die das nicht so machen und sich lieber auf ein Pfefferspray verlassen wollen. Das kann ich durchaus verstehen und dafür habe ich mit die Pepper-Tools mal näher angesehen.

Natürlich habe ich sie auch ausprobiert, aber keine Vergleichsfotos von Trefferbild und Reichweite gemacht. Daher ist dieser Vergleich sehr subjektiv und jeder muss für sich ableiten, welches Produkt er nutzen will. 

Auch ist die schweizer Firma Piexon sehr oft vertreten, da ich von deren Pepperguns schon immer recht angetan war, obwohl sie meiner Meinung nach alle nicht ohne Kritik sind.

Piexon Jetprotektor JPX2/JPX6

Große Wummen
Große Wummen

Fangen wir direkt mal mit den großen Kalibern an! Von der Größe sind sie schon mit normalen Handfeuerwaffen vergleichbar. Der JPX 2 verschießt zwei Ladungen pro Kartusche und der JPX6 vier. 

Warum der JPX6 vier Ladungen verschießt und nicht sechs und warum es keinen JPX4 gibt, ist eine gute Frage! Den JPX4 gibt es. Er hat nur keine Zulassung in Deutschland, da er vier Läufe besitzt, in die Einzelkartuschen geladen werden können. Das war dann hier in good old Germany doch zu heikel, hätte man doch die vier Läufe auch mit etwas anderem laden können.

Größenvergleich der Kartuschen. Links JPX2, rechts JPX6
Größenvergleich der Kartuschen. Links JPX2, rechts JPX6

So gleichen sich JPX2 und JPX6 dahingehend, dass die Einzelladungen fest in einer Zweier- bzw. Viererkartusche verbunden sind. Und nur diese können auf das Abschussgerät geschoben werden und sonst nichts anderes. Auch passt die Kartusche vom JPX2 nicht auf den JPX6 und umgekehrt.

Feuert man beide Geräte ab, gibt es schon einen ordentlichen Knall. Die Treibladung für den Wirkstoff ist eine Platzpatrone. Der Wirkstoff wird auf gut sieben Metern genau ins Ziel gebracht und die Streuung besitzt einen Durchmesser, der vergleichbar mit einem menschlichen Kopf ist. 

Vorne die abgefeuerte Übungskartusche des JPX6
Vorne die abgefeuerte Übungskartusche des JPX6

Zielen geht ganz einfach über Kimme und Korn. Es sind sicherlich auch weitere Entfernungen möglich, aber die Streuung des Wirkstoffs wird merklich größer und alles ist nicht mehr zielgenau.

Wie schon eingangs erwähnt sind beide Modelle ordentlich groß und geladen auch richtig schwer. Einfach so in der Jackentasche ist eigentlich nur der JPX2 transportierbar. Der JPX6 benötigt eher einen Holster, eine eigene Tasche oder eine mit CCW-Fach. 

Und die richtige Tasche muss man lange suchen, ist doch der JPX6 deutlich voluminöser als viele Schusswaffen. Beispielsweise teste ich gerade den Rapid Sling von 5.11Tactical. Dies ist ein kleiner Slingbag mit einem wirklich kleinen CCW-Fach. Der JPX6 passt zwar mit Klettholster hinein, aber nur so, dass man ihn nicht mehr flüssig ziehen kann. Und wohin soll man mit der Reservekartusche zum Nachladen? Ins Hauptfach und dementsprechend nicht griffbereit im Notfall.

Der JPX6 ist schon eine Hausnummer!
Der JPX6 ist schon eine Hausnummer!

Somit fällt meiner Meinung nach der JPX6 für unterwegs bei einer Privatperson zur SV aus. Ihn kann ich mir eher bei der Haus- und Wohnungsverteidigung vorstellen. JPX6 und Nachladekartusche auf dem Nachttisch und man hat acht Ladungen zur Abwehr parat.

Der JPX2 ist da schon mobiler, gleicht er doch eher einen kleineren bis mittleren Handfeuerwaffe. Ein weiterer Vorteil ist die Doppelkartusche, die durchaus in normale Magazintaschen hineinpasst. CCW ist hier kein Problem. Oft passt mindestens eine Reserverkartusche griffbereit mit hinein. 

Dennoch nutze ich den JPX2 auch eher für die Hausverteidigung. Er ist fester Bestandteil meines Homedefense-Kits.

Piexon Guardian Angel 2 und 3

Beide Modelle des Guardian Angel
Beide Modelle des Guardian Angel

Gibt es eine Schusswaffe, mit der man die Modelle der Guardian-Angel-Reihe am ehesten Vergleichen kann, dann habe ich eigentlich nur noch den Derringer im Kopf. Diese zweischüssige Notfallwaffe aus dem Wilden Westen ist legendär.

Und genauso sehe ich auch den Guardian Angel! Er ist handlich und leicht. Einzig die Schussbegrenzung von zwei Ladungen ist nicht optimal. Hier kann man keine Kartusche wechseln. Zwei mal abfeuern und der gesamte Guardian Angel ist für die Tonne. 

Aber seien wir doch mal realistisch. Habe ich in einer SV-Situation wirklich die Möglichkeit mehr als zwei Ladungen Pfeffer zu verschießen? Geschweige denn, einen Kartuschenwechsel durchzuführen? Nein! Haben beide Ladungen nicht getroffen, befinde ich mich eh im Nahkampf und da ist Pfeffer ohne Eigengefährdung nicht brauchbar.

Handlage des Guardian Angel 3
Handlage des Guardian Angel 3

Man kann die Guardian Angels mit einer Mindestdistanz von einem halben Meter zum Gegner nutzen. Da ist der Angreifer schon verdammt nah! Die Reichweite der kleinen Pfeffergun kann dann mit dem JPX auch nicht mithalten. Einmal ist die Kartuschengröße etwa halbiert und die Treibladung entspricht wohl einer halben Platzpatrone. Dementsprechend leise ist der Guardian Angel und die Reichweite beträgt maximal vier bis fünf Meter.

Auch streut die Ladung sehr extrem. Sieht man sich den „Lauf“ des Guardian Angel an, stellt man fest, dass sich dort viele kleine, und dünne Düsen befinden, die die Pfefferlösung teilweise vernebeln und nicht als geballte Pfeffermasse auf den Angreifer schleudern. Das hat den Vorteil, dass man den Guardian Angel nur ungefähr in Richtung des gegnerischen Kopfes halten muss, damit er vom Pfeffer behindert wird. Das hat in einer Stresssituation unter Adrenalin deutliche Vorteile.

Abgeschossene Läufe im Vergleich: links JPX6 und rechts Guardian Angel 2
Abgeschossene Läufe im Vergleich: links JPX6 und rechts Guardian Angel 2

Insgesamt ist der Guardian Angel äußerst mobil. Nur die zwei Schuss sind ein Downsize. Bei mehreren Angreifern ist man dann im Nachteil. Kommen die als Gruppe auf einen zu, kann die breitere Streuung mehr als eine Person beeinträchtigen. Ist nur ein Aggressor da, ist es aber unschlagbar. Durch die handliche Form und die intuitive Bedienung für Frauen sehr empfehlenswert.

TW1000

TW1000
TW1000

TW1000 produziert Reizstoffsprühgeräte mit Pepper-Lösung für Privatpersonen, Behörden und Sicherheitsdienstleister. Dabei werben sie mit einer 360 Grad Nutzung der Sprühdosen. Das bedeutet, egal wie man die Dose hält, der Sprühstrahl hat immer die gleiche Funktion, was Reichweite und physikalische Gegebenheiten betrifft.

Hört sich alles in der Werbung toll an, aber letztendlich hat mich die Leistung enttäuscht.  Beim Sprühstrahl kommt die Gravitation schon nach etwa einem Meter zum tragen. Ab dieser Entfernung  bildet der Strahl schon einen Bogen, der dann nach etwa zwei bis drei Metern auf dem Boden auftrifft.

So nicht nutzen
So nicht nutzen

Somit ist das Gerät nur wirklich was, wenn der oder die Angreifer schon ziemlich nahe sind. Beispielsweise wird man am Arm gepackt oder der Gegner hat den Arm zum Schlag schon erhoben. Bei weiteren Entfernungen muss man dann eher auf die Androhung der Nutzung setzen oder mit dem Spray geübt haben, um über die Erfahrung gelernt zu haben, wie man die Sprühdose anhält, um einen weiter entfernten Gegner zu treffen.

Bei der Nutzung fiel mir auch auf, dass je nach Situation (Bsp. Wind), ich selbst durch den Wirkstoff beeinträchtigt wurde und schnell den Rückzug antreten musste, um mich nicht selbst außer Gefecht zu setzen.

Daher kann man davon ausgehen, wenn der Gegner beim Angriff im Vorwärtsgang ist, prallt er, nachdem er vom Wirkstoff getroffen wurde unweigerlich in den Verteidiger und kontaminiert diesen ebenso mit dem Pepper. Daraus kann dann die eigene Kampf- bzw. Verteidigungsunfähigkeit folgen. Bei mehreren Aggressoren echt eine üble Situation.

Hier muss man also einen Drill lernen, nach dem Sprühstoß nach hinten zurückzuweichen. In einer Stresssituation wird es für den nicht geübten Anwender schwierig ,diesen Drill abzurufen und auszuführen. Steht man mit dem Rücken zur Wand ist man dann wohl im Arsch!

So nutzt man ihn richtig
So nutzt man ihn richtig

Auch die Bedienung der Dose erfolgt nicht intuitiv richtig, wie bei JPX oder Guardian Angel. Die meisten Personen, die keine Erfahrung mit der Sprühdose haben, werden sie wahrscheinlich nutzen, wie ein Deospray mit dem Zeigefinder. Der Anpressdruck, um eine Pepperspray-Dose zu betätigen, ist aber höher. So kann es passieren, dass bei Nutzung des Zeigefingers der Sprühstoß nicht erfolgt.

Richtig in der Anwendung wäre die Nutzung mit dem Daumen. Das muss wiederum geübt werden und kann in einer Stresssituation unter Adrenalin durchaus in die Hose gehen. Auch ein schnelles, unvorbereitetes Ziehen der Dose in der Notsituation, ist meist nicht korrekt möglich. Die Abgabe des Sprühstoßes wird dann wahrscheinlich auch nicht mehr ausgeführt.

So eine Dose sollte der Anwender eigentlich in einer dunklen Ecke oder in Bereichen, wo er angreifbar ist, schon korrekt in der Hand halten, bevor es überhaupt zu einem Angriff kommt. Das wird im Alltag von den meisten Personen eher nicht ausgeführt, da diese ihre Umwelt nur unaufmerksam wahrnehmen.

Fazit

Jedwede Form eines Tools zur Selbstverteidigung hat seine Vor- und Nachteile. Kommt ein Wirkstoff, wie eine Pepper-Lösung zum Einsatz, hat man auch immer mit der Situation der Eigengefährdung zu kämpfen. Aber sehr viel mehr Auswirkungen hat die Adrenalinausschüttung des Körpers in Stresssituationen. Die Gebrauchsfähigkeit des eigenen Körpers wird herabgesetzt, neben dem Tunnelblick wird man zudem nur noch grobmotorische Bewegungen ausführen können.

Nochmal alle Modelle im Vergleich
Nochmal alle Modelle im Vergleich

Somit wird die Nutzung eines Selbstverteidigungstools schwierig. Ja selbst ein waffenloses Selbstverteidigungssystem wie das Krav Maga, das die Grobmotorik des Körpers in solch einer Situation mit einbezieht, muss geübt werden. So muss man dann auch das Handling von Perpperguns oder -sprays üben. Auch die Nutzung einer Taschenlampe in der Selbstverteidigung verlangt Übung. 

Sich nur das Tool zu kaufen und sich mit dem Besitz sicher zu fühlen, reicht nicht aus!

Kommen wir aber mal zurück zu unserer drei vorgestellten Produktklassen:

JPX eher für daheim! Sie sind relativ groß und schwer. Das will man nicht immer mit sich führen. Der JPX2 gefällt mir persönlich besser, da er tatsächlich auch noch gut in einer CCW-Tasche geführt werden kann. Der JPX6 ist wirklich enorm groß und hat nur den Vorteil, dass er für vier Schussabgaben nicht nachgeladen werden muss. 

Die beiden Großen
Die beiden Großen

Guardian Angel 2 und 3 sind aufgrund ihrer Handlichkeit perfekt für unterwegs. Die flache Bauweise macht sie zu idealen Kandidaten für die Gesäßtasche der Hose ohne aufzutragen. Einziger Knackpunkt ist lediglich die Begrenzung auf zwei Schuss.

TW1000 gefällt mir persönlich gar nicht. Keine nennenswerte Reichweite. Immer die Gefahr der Eigengefährdung. Ja sogar der eigenen Kampfunfähigkeit, die bei mehreren Aggressoren zu erheblichem körperlichen Schaden führen kann. Ist der Gegner schon so nah, macht für die Einzelperson eine Selbstverteidigung, wie Krav Maga, deutlich mehr Sinn.

Die Düsen fächern den Wirkstoff auf. So gibt es eine breitere Streuung
Die Düsen fächern den Wirkstoff auf. So gibt es eine breitere Streuung