Der Fluch des Hexenjägers – 01 Die alte Dame

Die Abenteuer von Mike und Geisterwolf Moon gehen weiter. Falls Du den ersten Teil verpasst hast, schau Dir die Seite der Moon-Chroniken an. Dort findest Du alle bisher veröffentlichten Teile.

Ich hatte sie gefunden! 

Nachdem ich sie nun schon ein paar Stunden verfolgt hatte. Sie saß an einem Dorfteich auf einer Bank in ihrem Geburtsort. Ihr verwirrter Kopf hatte sie dorthin geführt.

Sie war aus einem Altenheim im Nachbardorf abgängig. Die Stationsschwester hatte mich angerufen, als sie die Dame dort nicht mehr finden konnte. Das war Teil einer Absprache zwischen dem Grafen und der Polizei, insbesondere mit meinem Freund Alex. Er hatte meinen Erfolg kurz vor letztem Weihnachten miterlebt, als die Zeitungen mich als „Held vom Teufelsloch“ titulierten. Doch die wahre Geschichte, von der Gestalt mit der Fratze, die wie meine Freundin Kathrin sprach, die ich mit meinem Tomahawk im Kopf traf und die daraufhin spurlos in Flammen aufging – die blieb sowohl der Polizei als auch der Presse verborgen. Das habe ich bisher für mich behalten.

Wir hatten mit der Polizei die Abmachung, dass ich bei solchen kleineren Fällen aushalf, bevor eine ganze Einsatzhundertschaft zur Suche ausgeschickt werden musste. Vermutlich war ich billiger, zumal der Graf meine Hilfe als Dienst an der Gemeinschaft betrachtete und mich „kostenlos“ auslieh. Na gut, er bezahlte mich gut, weshalb ich keinen Grund zur Klage hatte. Außerdem schärfte es meine Sinne und ich bekam Übung in meinen Fährtenleser-Fähigkeiten. Das war auch nicht zu verachten.

Obwohl dieser Fall wirklich einfach war und mich eher als Ermittler denn als Spurenleser forderte: Ich hatte zuerst die alte Wohnadresse der Dame erfragt, war mit meinem lauten UTV ins Dorf gefahren und hatte die Nachbarn mit Fragen gelöchert. Dabei kam heraus, dass sie früher an warmen Abenden gerne am Dorfteich gesessen und die Ruhe genossen hatte.

Für April war es wirklich warm. Das Thermometer hatte vor einigen Tagen die 20°-Marke geknackt, und es sah aus, als wäre der Winter bereits vorbei, der Frühling ausgefallen und der Sommer schon da. Ich trug nur Trekkinghose und T-Shirt und schwitzte trotzdem.

Ich wollte gerade zu der alten Frau gehen, da stutzte ich. Noch bevor Moon auftauchte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich wechselte in meine Geistersicht und sah, wie sich um die Frau schwarz-rote Energiewolken waberten, die von einem Gegenstand unter der Bank ausgingen. Das war kein gutes Zeichen!

In den letzten Monaten hatte Moon mir beigebracht, wie ich die Energieströme in der Welt mühelos erkennen konnte – die guten wie die bösen. Obwohl, ganz richtig war das nicht: Helle Ströme zeigten an, dass alles in Ordnung war, doch sie waren nur schwer zu entdecken. Der Einfluss des Menschen hatte viele dieser Lebensenergieströme verändert, meist negativ. Es gab sogar Bereiche, wo die Ströme so schwach waren, dass sie kaum wahrnehmbar waren, oft in den Betonwüsten der Großstädte. Dort verkehrten sich die Lebensströme, wurden negativer, dunkler. Oft spielten extreme Farben eine Rolle, je nachdem, ob ein magisch begabtes Wesen Einfluss nahm.

Das war hier der Fall: Der Gegenstand unter der Parkbank war magischer Natur und zog den schwachen Geist der dementen Frau in seinen Bann. Ich ging davon aus, dass die Dame besessen war, nahm jedoch keine Falle wahr.

„Hey, Fremder! Komm rüber! Ich will mit dir reden!“

Kathrins Stimme – schon wieder. Seit der Gestalt im Wald kurz vor Weihnachten hatte ich sie nicht mehr gehört und war langsam davon ausgegangen, dass mich meine Sinne in der Nacht getrügt hatten. Doch das hier bewies das Gegenteil.

Moon war in meinem Kopf voll auf Alarm, und ich spürte, wie extrem angespannt sie an meinem Bein war.

Ich wechselte noch einmal in die Geistersicht und konzentrierte mich auf die Energieströme um die alte Dame. Nichts deutete auf eine Falle oder eine Gefahr für mich hin.

Ich trat vor und blieb etwa fünf Meter vor der Frau stehen. Sie nahm mich nicht wahr; ihre Augen waren geschlossen, und sie wiegte sich zu einer Melodie, die ich nicht hören konnte.

„Ich beiße nicht“, hörte ich Kathrins Stimme aus Richtung der Frau. Die Lippen der Frau bewegten sich nicht. Wahrscheinlich sprach sie aus der Energiewolke zu mir.

„Noch nicht!“

„Bist du das, Kathrin?“

„Aber klar, mein Hübscher. Du bist stärker, als ich anfangs dachte. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich dir eine härtere Nuss zu Weihnachten zu knacken gegeben.“

„Was willst du von mir? Warum dieser Sarkasmus, warum die Gewalt?“

„Mike, Mike, Mike. Du musstest doch wieder bei meinem Vater einziehen. Bist sein Lakai geworden, buckelst vor ihm. Nur für ein paar Kröten. Oder willst du Absolution, weil du Bernd nicht retten konntest?“

„Du laberst Müll, Kathrin. Mir tut es nur leid, wie ich dich nach Bernds Tod habe fallen lassen.“

„Ach, Mike. Unsere Beziehung bedeutet mir nichts mehr. Ja, anfangs war ich etwas sauer. Aber wenn ich das große Ganze betrachte, warst du doch nur ein Schwanz, der mich ganz nett gefickt hat. Hatte ein paar davor und eine ganze Menge danach.“

„Was willst du dann von mir?“

„Hat es dir mein Vater nicht gesagt? Oder meine Mutter?“

„Was gesagt?“

„Hmm. Das sollen sie dir schön selber erzählen. Solange du unter ihrem Dach lebst und Geld von meinem Daddy annimmst, bist du genauso mein Feind wie sie. Wenn du dich mir in den Weg stellst, werde ich dich ausradieren. Geh zurück in den Wald. Sei wieder Eremit. Mach einen auf Survivaltrainer. Aber komm mir nicht in die Quere.“

„Kathrin, was soll das alles?“

„Ich habe dich oft auf deinem Waldgelände mit deinem Löwenzahn-Bauwagen besucht. Feuer bohren, Spuren lesen, Überleben in der Wildnis – ja, da seh ich dich. Geh wieder dahin. Mach das. So könntest du alt werden. Aber, wenn du bleibst, werde ich dir das Herz herausreißen, wie dem Mädchen, das ich für diesen Zauber brauchte!“

„Du hast was?“

„Starke Magie braucht junges Blut. Reines Blut. Unschuldiges Blut. Leider vergeht es so schnell. Leb wohl, mein alter Freund. Ich hoffe, du hast die Warnung verstanden und unsere Wege kreuzen sich nicht wieder.“

„Kathrin, warte!“

Doch sie war schon weg. Meine Geistersicht zeigte mir, dass der Zauber um die alte Dame gebrochen war. Sie schaute mich verwirrt an.

Ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Als ich mich umdrehte, sah ich den Wald am Hang hinter mir. Zwischen den Schatten der Bäume war etwas – jemand. War es Kathrin, die mich beobachtete? Nein. Das war jemand anderes, vertraut, aber ich konnte es nicht greifen. Mir schauderte.

Ich ging auf alle Viere und untersuchte den Boden unter der Bank. Dort lag ein kleiner Lederbeutel. Moon brummelte warnend. Ich zog mir Handschuhe an und packte den Lederbeutel in einen leeren Hundekotbeutel, den ich einem Spender am Mülleimer neben der Bank entnahm. Vorsichtig legte ich ihn in meine Umhängetasche. Danach brachte ich die alte Dame zurück in ihr Altersheim.

Fortsetzung folgt...
Hat Dir die Geschichte gefallen?
Dann lass doch einen Daumen nach oben da! Das würde mich sehr freuen.
Aber auch, wenn er Dir nicht gefallen hat, kannst Du ihn mit einem Daumen nach unten bewerten. 
Toll wäre es, wenn Du mir ein Feedback gibst. Schreib mir einfach eine E-Mail an rb.bjoern.eickhoff@gmail.com