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Die Bestie in mir

Mike wurde von der Bestie verletzt. Nun verwandelt er sich selber in eine. Wird er zu einer Gefahr für seine Freunde?

Ich fiel auf alle viere. Ich krümmte mich, ein Stöhnen entwich mir, als unerträgliche Schmerzen durch meinen Körper schossen. Von irgendwoher vernahm ich wieder Madame Claires unheilvollen Gesang, diesen hypnotischen Singsang, den sie bereits in der Kapelle intoniert hatte..

Meine Hände verspannten sich. Ein dumpfes Knacken. Alle Knochen in meinen Fingern brachen, zogen sich in die Länge, heilten in Sekundenschnelle und formten sich neu. Ich spürte, wie meine Fingernägel sich von den Nagelbetten drückten, gefolgt von einem Strom heißen Blutes, das aus meinen Fingerspitzen schoss. Mächtige, schwarze Krallen wuchsen unaufhaltsam daraus hervor.

Erneut explodierte ein Schmerz in meinem Gesicht, als meine Kiefer aufbrachen. Ich spürte, wie sich meine Schnauze verlängerte. Plötzlich war mein Blickfeld verzerrt. Ich sah nicht mehr die Gestalten um mich herum, sondern nur noch ihre pulsierenden, farbigen Flecken. Ihr pochender Herzschlag war das Einzige, was ich wahrnahm. Und in mir brodelte eine unbändige Wut. Sie wollte mit aller Macht aus mir heraus, wollte töten. Ich wollte sie alle zermalmen. Mein Blut pulsierte vor Raserei. Gleichzeitig wollte ich ihr Blut schmecken, ihre Körper aufreißen, meine Klauen und Zähne in ihren Innereien baden und ihre Schreie genießen. Die Stimme der Hexe in meinem Kopf stachelte die Wut weiter an, und ich wollte losstürmen.

Doch dann stand die Wölfin vor mir. Ein strahlend helles, weißes Wesen, so voller Energie, dass sie mich innehalten ließ. Ich blickte sie an. In meinem Kopf vernahm ich klar das Wort: „Nein.“ Ich brüllte sie an, doch die Wölfin verwandelte sich in die Schamanin. Mit ihrer leuchtenden Hand drückte sie gegen meine Brust und hielt mich mit aller Kraft zurück. Ich schrie erneut.

Eine weitere Seele erschien: Marlies. Die Marlies, die vor Stunden ihre eigene Tochter getötet hatte. Ein Untier wie das, zu dem ich nun wurde. Sie legte ebenfalls zärtlich eine Hand auf meine Brust, schüttelte mit einem Lächeln den Kopf. Dann sah ich die Seele von Bertold, der meinen Arm festhielt. „Nein, Mike, nicht so!“, sagte er. Schließlich erblickte ich das Reh. Ich wusste sofort, wer es war. Es verwandelte sich in eine Frau, die langsam auf mich zukam. Ihre Hände umschlossen mein Gesicht, ihre dunklen Augen blickten direkt in meine. Auch sie schüttelte liebevoll den Kopf. „Nein, mein Sohn“, sagte sie. Mit diesen Worten erlosch die Wut auf alles und jeden in mir.

Wieder hörte ich den unheilvollen Singsang der Hexe, und erneut stieg Zorn in mir auf. Doch diesmal war er nicht ziellos, sondern auf sie gerichtet, die dieses ganze Übel verursacht hatte. Ich fixierte sie mit meinem Blick und erkannte die Angst in der veränderten Tonlage ihres Gesangs. Auch in ihren Augen sah ich nackte Panik. Ich schritt langsam auf sie zu, während sie panisch zurückwich. Sie prallte gegen die Wand der Kapelle.

Sie schüttelte den Kopf. Ich holte aus, und meine krallenbewehrte Hand riss durch ihr Gesicht. Doch sie sang unaufhaltsam weiter. Mit der anderen Kralle packte ich ihr Kinn. Die scharfen Spitzen durchbohrten ihren Unterkiefer, und mit einem leichten Ruck riss ich ihn aus ihrem Gesicht. Blut spritzte mir entgegen, als ihr Gesang verstummte. Ihre Zunge hing frei und sie röchelte nur noch. Ich ließ von ihr ab und ging zum Gefäß, in dem das Herz gefangen war. Ich hob es auf und zerschmetterte es an der Wand. Das verschrumpelte Herz im Inneren pulsierte in einer schwarz-roten Wolke. Ich nahm es heraus, legte es auf meine Hand und betrachtete es. Dann ging ich zurück zu Madame Claire, der Hexe, und zeigte es ihr. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als ich es mir in mein Maul schob und es langsam zerkaute.

Danach hockte ich mich neben die Hexenmeisterin, die mich voller Schmerz und Angst ansah. Ich riss ihr Hemd, dann ihren schwarzen Mieder auf, ihre blutbefleckten Brüste lagen nun frei. Doch dieses Fleisch interessierte mich nicht. Mit einer schnellen, präzisen Bewegung trieb ich beide Klauen in ihr Fleisch, umfasste die Rippen und riss ihren Brustkorb auf. Ihr Blut schoss mir entgegen, und ich trank es gierig. Endlich lag ihr Herz frei, es schlug noch. Ihre geweiteten Augen starrten mich voller Panik an, als meine rechte Hand es umschloss und langsam aus ihrem Körper riss. Ich zeigte es ihr. Sie war noch da. Und dann fraß ich es Bissen für Bissen, langsam, während ich ihr tief in die Augen schaute. Ich sah, wie sie ihren Körper verließ. Ihr Licht schwebte für einen Moment über ihrem sterbenden Leib, wollte schnell entfliehen. Aber Moon war schneller. Während ich ihr Herz verzehrte, biss sich Moon in ihrer Seele fest und verschlang auch sie Stück für Stück.

Langsam verwandelte ich mich zurück. Auch das war schmerzhaft, und ich fühlte mich zugleich voll und leer, unendlich erschöpft und kraftlos.

Da richtete mein Vater seine Pistole auf mich und schrie: „Jetzt stirbst du endlich, du elende Missgeburt!“ Ein Schuss ertönte. Doch ich war nicht tot. Mein Vater hielt sich die blutigen Reste seiner Hand, und vom Felsen schrie Gabriel herunter: „Du hast auf mich geschossen, du blödes Arschloch!“

Ich lächelte noch, dann erloschen langsam die Lichter in meinem Kopf und Dunkelheit umfing mich.

Die Kapitel der Moon-Chroniken sind vergänglich – nach 4 Wochen verschwinden sie wieder im Schatten.
Die vollständige Geschichte bleibt jedoch jederzeit lebendig.
Die Spannung steigt!
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Was davor geschah:
Die Moon-Chroniken
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