Dritte Konfrontation

Mike und Fox sind wieder auf dem Weg zum Teufelsloch, um Brigitte und Alex zu helfen. Damit beginnt das elfte Kapitel des zweiten Bands der Moon-Chroniken.

Der Wagen hielt am Teufelsloch, die Fahrt war kurz, die Stille danach umso bedrohlicher. Nur noch ein Kilometer Fußmarsch lag vor uns. Fox griff auf den Rücksitz, holte eine Sporttasche hervor und reichte mir meinen Reiterbogen, ein paar Pfeile und eine meiner Macheten. Die Ausrüstung fühlte sich kalt in meinen Händen an.

„Ich hab’s aufgeladen“, sagte er, die Stimme gedämpft. „Die Pfeile und die Machete sind nicht so kraftvoll wie meine Kugeln, aber sie werden uns einen Vorteil verschaffen. Wir bleiben zusammen. Ohne Wenn und Aber.“

Ich nickte. Er nahm seine zwei Colts und sein Bowie-Messer, die Gabriel ihm gebracht hatte. Zwölf Schuss für ihn, sechs Pfeile für mich. Ein Ungleichgewicht, das mir ein flaues Gefühl in der Magengegend bereitete. Würde das reichen? Ich wagte es nicht, es auszusprechen. Wenn nicht, würde es hässlich werden.

Laufen war keine Option. Wir bewegten uns zügig, aber mit äußerster Vorsicht. Jeder Schatten, jedes Knacken eines Zweiges ließ uns innehalten. Wir wussten nicht, was uns erwartete – und wir konnten nicht ausschließen, dass wir bereits beobachtet wurden. Die Luft war erfüllt von einer beklemmenden Stille, die selbst das Rascheln der Blätter zu übertönen schien.

Nach gut einer Viertelstunde erreichten wir die Lichtung. Was uns dort erwartete, verschlug mir den Atem. Vor uns lag nicht nur einOpferstein, sondern ein Friedhof des Grauens. Acht Gräber, in einem perfekten Kreis um den Opferstein angeordnet, rissen Löcher in den Waldboden. An fünf davon lagen Gestalten in weißen Schutzanzügen, blutüberströmt und regungslos.

Die Gräber waren leer.

In den verbleibenden drei Gräbern lag das Grauen. Zwei davon bargen tote Kinder. Obwohl ihre Körper leblos waren, zuckten und wanden sie sich in ihren schmalen Erdlöchern. Fox packte mich am Arm, bevor ich unbedacht einen Schritt nach vorne machen konnte. Im achten Grab lagen nur noch die zerfallenen Überreste eines Mädchens. Kathrins Zauber hatte nicht nur das Herz, sondern den gesamten Körper welken lassen.

An einen Baum gelehnt saßen Alex und Brigitte. Brigitte wirkte benommen und hatte einen notdürftig verbundenen Verband am Arm. Alex schaute uns an, aber seine Augen schienen uns nicht wirklich wahrzunehmen. Ich rüttelte an seiner Schulter, bis sein Blick endlich klar wurde.

„Mike! Fox!“, stieß er keuchend hervor. „Die Leichen haben uns angegriffen! Die Forensiker wurden überwältigt, als sie die Leichen ausgruben. Ihre toten Körper haben das Blut ihrer Opfer fast vollständig aufgesaugt. Brigitte und ich wollten helfen, aber eins von ihnen hat Brigitte gebissen. Wir haben geschossen, aber es hatte keine Wirkung. Trotzdem sind sie in den Gräbern geblieben.“

„Was ist mit den anderen fünf?“, fragte Fox mit belegter Stimme.

„Die sprangen auf und liefen in verschiedene Richtungen davon“, erklärte Alex.

Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Die Wahrheit schlug in diesem Moment mit voller Wucht ein. „Wir müssen die zwei hier vernichten, Mike“, sagte Fox, und sein Blick war entschlossen.

„Meinst du, deine Kugeln reichen dafür?“, fragte ich.

„Nicht ganz“, erwiderte er, während er auf die zwei unruhigen Leichen deutete. „Aber die reinigende Kraft eines Feuers.“

Blitzschnell sammelte ich Äste und zückte aus der Seitentasche meiner Hose Zunder. Seit Jahren habe ich mir angewöhnt, auf meinen Streifzügen in der Natur immer welchen zu sammeln und in einer Beintasche meiner Hose zu verwahren. Ob Birkenrinde, Kienspan oder trockene Zweige – die Körperwärme meiner Beine trocknete selbst nasse Reste innerhalb kürzester Zeit. Ein schnelles Feuer war keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Ich zündete den Zunder mit einem kleinen Feuerzeug aus meiner anderen Hosentasche an. Für tausende Zündungen gut und vor allem: verlässlich.

Innerhalb von Sekunden loderte eine kleine Flamme. Fox trat zum ersten Grab. Er zielte, schoss, traf. Ein unmenschlicher Schrei hallte über die Lichtung, doch die Leiche zuckte weiter. Er streute eine Handvoll Schießpulver über sie, und ich warf einen brennenden Ast hinterher. Sofort schlug eine Flammenwand empor. Der Schrei wurde schriller, bis er erstickte und die Bewegungen abrupt aufhörten. Es wurde still. Bei der zweiten Leiche sparten wir die Kugel. Wir verbrannten sie direkt. Auch hier gab es nur kurzes Zucken und Kreischen, dann breitete sich eine gespenstische Ruhe aus.

Inzwischen war auch Brigitte aufgestanden. Mit weit aufgerissenen Augen trat sie zu uns. Der Schock des Erlebnisses hatte sich tief in ihr Gesicht gegraben.

Ich ging zurück zu den Gräbern und sah mir die Anordnung genauer an. Sie waren in einem perfekten Kreis um den Opferstein angeordnet. Ich blickte zum Himmel, die Sonne stand bereits nachmittäglich tief. Ich kramte den kleinen Knopfkompass aus meiner Tasche und hielt ihn in die Luft. „Nord, Nordwest, West, Südwest, Süd, Südost, Ost, Nordost“, murmelte ich.

„Das könnte ein Suchzauber sein“, meinte Fox. „Die Toten sollen etwas Bestimmtes suchen und derjenige mit den Herzen sieht, wer es wo findet.“

„Acht tote Kinder nur für eine Suche?“, fragte ich ungläubig.

„Und wenn es um etwas sehr Wertvolles und Wichtiges geht?“, entgegnete Fox, sein Blick wanderte über die Bäume in der Ferne. „Wir müssen sie aufspüren und vernichten. Finden wir heraus, in welche Richtungen wir müssen.“

Die Spuren der untoten Kinder waren nicht zu übersehen. Sie trampelten durch den Wald wie Elefanten, die Porzellan zerschlagen. Wir ordneten die Spuren den Himmelsrichtungen zu und erkannten mögliche Ziele: die Burg, der Friedhof, das Rathaus, die Kirche und ein altes Kloster im Wald.

Fox und ich machten uns sofort auf den Weg. Alex und Brigitte sollten weitere Kollegen alarmieren und am Tatort Beweise sichern. Danach würden sie sich uns anschließen. Die Suche war erstaunlich einfach. Einer von ihnen hatte sich in einem Stacheldrahtzaun verfangen und war so verheddert, dass wir ihn mühelos verbrennen konnten. Ein anderer wurde von einem Zug erfasst. Seine Überreste sammelten Alex und Brigitte ein, um sie zu vernichten. Den dritten fanden wir in den Ruinen des Klosters. Er hatte seinen Auftrag ausgeführt, nichts gefunden und war entweder vom Zauber oder dem Hexenzirkel, der die Herzen besaß, zerstört worden. Einen weiteren konnten wir schnell einholen und unschädlich machen.

Einer der Untoten blieb jedoch verschwunden. Er war auf der Linie zur Burg unterwegs, dem am weitesten entfernten Punkt. Da wir uns heute Abend sowieso dort treffen würden, bestand die Möglichkeit, dass er uns entweder über den Weg laufen würde oder wir seine Überreste finden würden. Ich hatte jedoch ein ungutes Gefühl.

Fortsetzung folgt ...
Hat Dir die Geschichte gefallen? 
Dann lass doch einen Daumen nach oben da! Das würde mich sehr freuen. Aber auch, wenn sie Dir nicht gefallen hat, kannst Du ihn mit einem Daumen nach unten bewerten.  Toll wäre es, wenn Du mir ein Feedback gibst. Schreib mir einfach eine E-Mail an rb.bjoern.eickhoff@gmail.com