Der Fluch des Hexenjägers geht weiter! Mike hat Kathrin gefunden. Aber sie hat ihn gefangen genommen. Wird er endlich die Informationen bekommen, die er braucht? Und was noch wichtiger ist, wird er ihr lebend entkommen?

Das Erste, was ich sah, als sich die Tür öffnete, war der Lauf einer Pistole, der direkt auf meine Körpermitte zeigte. Kurz darauf trat ein breitschultriger Muskelmann heraus und forderte mich mit einem Wink seiner freien Hand auf, die Hände zu heben und mich umzudrehen.
Nachdem er mir den Rucksack abgenommen und mich kurz abgetastet hatte, fesselte er mir die Hände mit einem dicken Kabelbinder auf dem Rücken zusammen. Jetzt war ich ihr Gefangener.
Er führte mich in einen großen Saal mit einer Fensterfront, die zur Rückseite der Villa zeigte. Dort saßen Kathrin, Alpha Kevin, die beiden Frauen aus der Kneipe und eine ältere Dame, die ich nicht kannte. Außerdem zählte ich noch einen weiteren Bodyguard, aber ich war sicher, dass sich hier noch mehr aufhielten – mindestens der Sniper, der mich im Wald im Visier gehabt hatte. Beide Muskelmänner trugen Pistolen in Holstern am Gürtel.
Toll. Ich war vollkommen unvorbereitet und unbewaffnet in die Falle getappt. Bisher sah ich keine Chance, hier rauszukommen. Also versuchte ich, Informationen zu sammeln.
„Alle Anwesenden kenne ich ja bereits. Wer sind denn Sie, meine verehrte Dame?“, fragte ich.
Die Faust des einen Muskelmannes krachte in meinen Solarplexus. Mir blieb kurz der Atem weg, dann explodierte der Schmerz und ich kotzte die Reste meines Bieres auf den Fußboden.
„Du hältst die Fresse und sagst nur was, wenn du gefragt wirst!“, brüllte er.
„Jetzt habe ich so schöne Armreifen von dir bekommen, Schatzi. Und ich dachte, du würdest zärtlicher zu mir sein“, krächzte ich.
RUMMS
Diesmal traf mich die Faust im Gesicht. Meine Kiefer klapperten aufeinander und meine Lippen platzten auf. Ich hing nur noch im Stuhl. Blut und Speichel tropften auf den Boden.
„Hans, lass es. Er will dich nur provozieren. Wenn du so weitermachst, kann ich mich nicht mit ihm unterhalten. Ich bin Madame Claire. Die Großmeisterin unseres ausgesuchten kleinen Zirkels. Du darfst mich gerne auch Meisterin nennen. So nennen mich schließlich alle“, säuselte sie.
Ich betrachtete sie. Sie war etwa fünfzig Jahre alt, aber wirklich gut in Schuss. Die weißblonden Haare waren hochgesteckt. Eine dunkle Bluse schmiegte sich eng an ihren Körper und war so weit aufgeknöpft, dass man ihren üppigen Busen und die schwarze Spitze, die ihn hielt, bewundern konnte. Dazu trug sie eine hautenge, blaue Jeans. Ja, das ist eine Sahneschnitte. Die würde ich auch nicht von der Bettkante schubsen, dachte ich bei mir.
„Dein Graf hat etwas, was ich will. Wo ist es?“
„Keine Ahnung, was Sie meinen.“
Ich machte mich bereit, noch einen Schlag einzustecken, aber da schaltete sich Kathrin ein.
„Hast du meinen Vater nicht gefragt?“
Kathrin hatte sich verändert. Sie war schon lange nicht mehr das kleine Gothic-Mauerblümchen, in das ich mich mit sechzehn total verknallt hatte. Ihr Gesicht hatte jetzt einen strengen, verbissenen Zug. Eine Anspannung, die man in ihrem ganzen Körper merkte. Sie war fit, keine Frage. Ich konnte die Muskeln ihrer Arme im dunklen T-Shirt sehen, das schon recht lose um ihren Körper schlackerte. Ob das schon Bulimie ist, fragte ich mich. Auch die Jeans lag locker auf den dürren Beinen. Sie hatte nichts, aber auch gar nichts mehr von der Frau, die ich mal geliebt hatte. Und ihr Blick, der zwar ein fast manisches Feuer hatte, war nur kalt und gefühllos auf mich gerichtet. Ihr machte es Spaß, dass ich hier auf die Fresse bekam.
„Doch, ein Märchen von Kindern, der Hexe und dem Fluch.“
„Mehr nicht?“
Ich wiederholte ihr, was mir der Graf an jenem Abend erzählt hatte. Sie sprang auf und lachte schrill.
„Dieser Wichser kann einfach nicht die Wahrheit sagen! Er belügt dich, Mike. Und du bist trotzdem sein Lakai. Bezahlt er dich gut, damit du Männchen machst?“
„Ich muss halt auch mal was essen und das kostet…“
„Pah! Du armseliger Idiot. Geld! Das hättest du auch von deinem Daddy haben können. Aber du musstest ja da aufkreuzen und den lieben Ziehsohn spielen. Ja, das weiß ich. Das hat mir alles dein Daddy erzählt. Er hasst dich und den Grafen, und wir konnten ihn so leicht um unsere Finger wickeln.“
Fuck. Mein Vater ist auf ihrer Seite? So richtig oder wirklich nur um den Finger gewickelt? Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Verdammt. Bertold vertraut ihm und er sagt ihm Dinge, die er mir sicherlich nicht anvertraut.
„Das reicht!“, entfuhr es Madame Claire. „Du bist emotional viel zu nah dran. Wegen dir gerät gerade meine ganze Agenda ins Wanken.“
„Warum, Meisterin? Er wird uns doch nur noch auf einem Wege verlassen.“
„Ja. Weil du ihn hierher gelockt hast. Auch viel zu früh. Das Ritual kann jetzt nicht so ohne Weiteres stattfinden, weil du mit ihm sprechen musstest. Dein Hass auf ihn und deine Familie macht dich rasend und blind. Nimm deine Gefühle endlich raus. Unser Zeitalter beginnt bald und das muss richtig geplant werden.“
Welche Agenda? Gab es hier einen Zeitplan? Ich überlegte und mir fiel ein, dass Ende April die Walpurgisnacht war. Es waren noch gut drei Wochen hin. War es das vielleicht? Und welches Ritual?
Tja. Aber um das zu klären, musste ich erstmal hier raus. Und wenn ich hier alles richtig zusammenzählte, würden die mich hier kaltmachen. Irgendwie war mir das schon klar gewesen, als der rote Punkt auf meiner Brust erschienen war.
Ich musste mir schnell etwas einfallen lassen!
Kathrin und ihre Meisterin tuschelten miteinander. Dann drehte sich Kathrin um. Sie lächelte boshaft. Ich hatte wirklich eine andere Frau geliebt. War ich aber der Auslöser dafür, dass sie so wurde, wie sie jetzt ist?
„Okay, Mike. Die Katze ist ja aus dem Sack. Du hast tatsächlich zu wenige Infos für uns, und wir nehmen jetzt jeden kleinen Helfer von meinem Vater vom Brett. Auch dich. Hier endet deine Reise. Hast du uns noch was zu sagen?“
In meinem Kopf überschlugen sich gerade die Gedanken. Die Kabelbinder bekomme ich nicht auf. Hier kann mir nur Moon helfen, aber wie?
Doch Moon machte sich selbstständig. Sie sprang Kathrin an, schleuderte sie um und biss ihr tief ins Gesicht. Es war kein Blut zu sehen. Der Angriff war auf einer anderen Ebene erfolgt. Aber Kathrin schrie. Die Meisterin war einen Moment verwirrt, deutete dann auf mich und die beiden Kerle kamen wieder auf mich zu.
In diesem Moment zerbarst das große Fenster in meinem Rücken. Ein Fuchs sprang an mir vorbei und griff die Meisterin an. Hinter mir bewegte sich etwas. Dann hörte ich das laute Explodieren von Schießpulver.
BANG – BANG – BANG
In die Brust des linken Angreifers platzten dunkle Löcher. Er fiel strauchelnd nach hinten und rotes Blut spritzte.
Der rechte Muskelmann reagierte etwas schneller, aber am Ende nicht schnell genug. Er hob seine Pistole. Doch schon raste ein dunkler Schatten an mir vorbei und grub ein langes Bowie-Messer tief in den Bauch des Bodyguards. Der Schatten riss den Messergriff nach rechts und öffnete so den ganzen Bauch. Er schnitt durch Fleisch, Muskeln, Sehnen, und die Eingeweide des Mannes quollen auf den Boden. Er versuchte sie noch mit seinen blutigen Fingern wieder in das Loch in seinem Bauch zu drücken, aber dann ging er auf die Knie und kippte tot zur Seite.
Alles ging blitzschnell. Alpha Kevin und die beiden Frauen begannen zu schreien. Die Meisterin befreite sich vom Fuchs und schleuderte auch Moon von Kathrin weg. Sie ergriff deren Hand und zog sie mit sich aus dem Raum. Hinter ihr platzen zwei Feuerbälle auf und schufen eine Wand aus Hitze und Flammen zwischen uns und dem Ausgang. Eine Verfolgung der Frauen war zwecklos. In diesem Moment begann ein dritter Bodyguard mit seiner Pistole vom Ausgang aus auf uns zu schießen.
Der dunkle Schatten zog mich und meinen Stuhl aus der Schusslinie. Gleichzeitig feuerte er mit seinem Colt.
BANG – BANG – BANG
Nun warf er einen nahe gelegenen Tisch um, um uns vor weiteren Kugeln des Bodyguards Deckung zu geben. Die beiden Kabelbinder wurden durchtrennt und ich war frei. Er wechselte die Waffe und drückte erneut ab.
BANG – BANG – BANG
Kathrin und die Meisterin waren nicht mehr zu sehen. Aber gerade rappelte sich Alpha Kevin wieder auf. Ich war mit zwei Schritten bei ihm, zimmerte ihm meine Faust zwei- oder dreimal ins Gesicht und zerrte ihn hinter dem Tisch in Deckung.
Gleichzeitig feuerte der Fremde weiter auf den Angreifer an der Tür.
BANG – BANG – BANG
Die beiden Frauen waren auch weg. Ob sich so ein Zirkel nur um seine Hexen kümmert und die Männer nicht zählen? Draußen wurde ein Wagen angelassen und mit aufheulendem Motor und quietschenden Reifen entfernte er sich. Das Geballer hatte aufgehört.
Moon stand neben mir und betrachtete den Fuchs. Ein dunkel gekleideter Mensch trat von hinten an mich heran. Ich verspürte keine Angst. Endlich erkannte ich, wen ich die letzten Tage um mich herum gespürt hatte.
„Dich kann man echt nicht alleine lassen.“
„Was meinst du, Fox?“
„Du ziehst Ärger an! Aber ich glaube, wir sind endlich quitt!“
„Wir sind schon lange quitt, und jetzt stehe ich in deiner Schuld, Bruder.“
„Was soll’s. Wir haben überlebt. Du hast überlebt. Das hier ist noch zu groß für dich, mein Freund.“
„Ich denke, da könntest du recht haben. Die Hexen sind wohl weg. Hier brennt gleich alles lichterloh. Die Holzfassade wird das alles noch beschleunigen.“
„Wahre Worte. Fesseln wir den Penner und packen ihn in meinen Wagen. Und dann nichts wie weg!“
Wir hatten erstmal einen Gefangenen, der uns ein paar Antworten schuldete, und mein Vater rückte gerade ganz nach oben auf meiner Liste der Leute, mit denen ich noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Danach kam der Graf, der mir immer noch etwas verschwieg. Ich brauchte langsam Antworten.
John Silent Fox stand da neben einem dunklen Land Rover Defender in dunkelblauer Jeans und brauner Lederjacke. Er hatte sein großes Bowie und zwei alte Colt Navy wie ein Westernheld an seinem Gürtel um die Hüfte geschnallt. Sein schwarzes Haar war mit einem Lederband zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden, und er trug einen Cowboyhut. Seine Wurzeln als amerikanischer Ureinwohner konnte er nicht verheimlichen, und doch war er nur ein Halbblut, das in Amerika ein Ausgestoßener aus beiden Welten war: der der Natives und der der Weißen. Und doch hatte er für sein Land gekämpft und heute hat er es für mich getan.
Wir stiegen schnell ein. Denn wir mussten hier weg, bevor die Polizei und die Feuerwehr aufkreuzten und Fragen stellten, die wir nicht beantworten konnten. Ich rief Alex an und berichtete von dem Vorfall. Der tobte und schrie mich am Telefon an.
Fortsetzung folgt…
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