Dies ist der der nächste Teil der Geschichte „Der Ruf des Bussards“. Wenn Du jetzt gerade erst einsteigst, geh doch mal zum Anfang.
Ich wache auf. Es ist kalt im Bauwagen. Verschlafen stapfe ich zum Kanonenofen und entfache schnell ein Feuer. Der Ofen zieht gut und schnell breitet sich eine wohlige Wärme aus. Ich stelle einen Topf Wasser auf den Ofen und warte bis es kocht, um mir mit der French Press einen Kaffee zu machen.
Bis das Wasser kocht, sehe ich mich in dem engen Wagen um. Moon ist nicht mehr da. Die Tür ist verschlossen. Also müsste sie doch da sein. Ich schaue genauer nach. Hier ist kein Wolf. Langsam habe ich das Gefühl, mit mir stimmt was nicht. Bin ich irre? Habe ich die tote Wölfin und den Jungwolf nur geträumt. Ist daher das Teufelsloch leer gewesen?
Ich atme langsam durch. versuche meinen Anspannung loszuwerden.
Erstmal Kaffee, denke ich und bin froh als der erste, heiße Schluck des dunklen Gebräus durch meine Kehle rinnt. Mein Körper merkt sofort den Koffein-Kick. Meine Sinne schärfen sich und mein innerer Motor läuft sich langsam warm.
Ich ziehe mir schnell warme Klamotten an und verlasse den Bauwagen. Draußen ist alles weiss. Der Schnee von gestern Nacht hast alles bedeckt und es liegt eine friedliche Ruhe über meinem Survival-Areal.
Vor der Türe finde ich nur Spuren von mir. Keine Pfotenabdrücke und doch habe ich den Eindruck, dass ich beobachtet werde. Mein Blick taxiert die Umgebung. Nichts.
Da ruft wieder ein Bussard ganz in der Nähe. Der Vogel sitzt auf meiner improvisierten Schwitzhütte und sieht mich an. Will er mir was sagen?
Ich denke, er hat recht und ich sollte heute mit klarem Kopf eine schamanische Reise machen und mir Klarheit über die Erlebnisse der letzten Nacht verschaffen.
Schnell habe ich auch dort ein Feuer entfacht. Mit einem brennenden Docht entzünde ich ein Wenig Salbei und und reinige meinen Körper in dem Rauch. Dann steige ich in die Schwitzhütte und bereite mich auf die Reise vor. Früher brauchte ich noch Trommeln, die mich in Trance versetzten, damit ich die Barriere der realen Welt durchstoßen konnte. Inzwischen reichen mir nur wenige Atemzüge.
Dann bin ich auch schon auf dem Weg und schreite hinab zum Eingang der Höhle, die mich auf die andere Seite führt. Dort an meinem Kraftplatz sehe ich die kleine Wölfin. Sie kommt freudig erregt auf mich zu und verwandelt sich wieder in die junge Frau.
„Hallo, Michael. Schön, dass Du da bist. Du hast sicherlich viele Fragen“, begrüßt sie mich.
„Ja, und ob! Was ist mit der Wölfin?“
„Der Wolf ist dein Krafttier, dein Totem. Er ist immer bei Dir. In Dir“
„Ich habe sie gestern im Arm gehalten. Sie war real. Auch das tote Muttertier war da. Ich habe Ihren Spuren im Schnee gesehen. Ertastet. Ich versteh das nicht.“
„Der Wolf ist ein Geistertier. Er ist in der irdischen Welt nur ein Geist. Du kannst ihn, jedoch rufen und er materialisiert sich für Dich. Nur Du kannst ihn sehen. Wenn ihr miteinander mehr Erfahrung habt, kann er auch auf die reale Welt einwirken“
„Und wer bist Du?
„Ich bin Moon. Ich bin eine alte Schamanin, die schon viele Leben gelebt hat. Vor sehr langer Zeit war ich schon einmal hier. Ich erscheine Dir heute in meiner letzten menschlichen Gestalt, die ich gelebt habe. Für Dich bin ich eine Ahnin, eine Lehrerin, die Dir auf deinem Weg helfen will. Du nennst den Wolf auch Moon. Das ist gut. Meine Kraft und Deine wachsende Kraft machen den Geisterwolf stärker und er kann mehr Dinge in Deiner Welt tun. Aber bis dahin liegt noch ein weiter Weg vor uns und Du musst viel und schnell lernen, denn ich bin hier, da Dein Weg die Dunkelheit, das Böse, bald kreuzen wird. Und es wird nicht das einzige Mal bleiben. Dein Weg ist, gegen die Dunkelheit anzutreten. Darauf werde ich dich vorbereiten.“
„Ich war Krieger. Ich habe Krieg, Tod und das Grauen dort gesehen. Das will ich nicht mehr. Meine Seele leidet, ich leide! No, never.“
„Sieh dich nicht so sehr als Krieger. Ich würde das eher als Wächter sehen. Du beschäftigst Dich jetzt seit Jahren mit Naturreligion und Schamanismus. Der Schamane schützt den Stamm. Gegen Krankheit und böse Geister. Er verbindet aber auch den Krieger und den Scout, die den Stamm vor physischen Angriffen schützen. Und ist genauso Fährtenleser und Jäger, der Nahrung auf den Tisch bringt. Wenn man diesen Weg wirklich gehen will, muss man sich auch mit allen Aspekten auseinandersetzen. Es gibt nicht nur Heilung und Medizin.
Bist Du bereit einen Freund zu treffen?“
„Einen Freund? Hier?“
„Ja. Komm. Lass uns fliegen!“
Die Frau Moon verwandeltt sich in die Wölfin Moon und hebt ab in die die Luft. Sie kreist um mich herum, um mich zu animieren, mit ihr aufzusteigen. Ich liebe das Fliegen hier und so hebe auch ich ab, trotz all meiner Skepsis und all der Fragen, die ich lieber erstmal gestellt hätte. Aber ich kenne das hier! Hier geht es oft um Bilder, Sachen die man sieht. Dinge die man findet und Seelen, die man trifft. Ein Frage-Antwort-Spiel war das bisher selten. Man sieht etwas, fühlt es und zieht seine Schlüsse. Das hatte mich immer schon am Schamanismus interessiert. Neben all der Naturerfahrung in der realen Welt, hat mich diese geheime Welt in mir immer gereizt.
Und so hebe ich auch ab und breite meine Arme aus. Fühle mich schwerelos und Moon und ich umtanzen uns eine ganze Weile. Ohne zu reden. Nur den Fokus auf‘s fliegen und den anderen. Damit wir ein Gefühl füreinander bekommen.
Dann löst sich Moon aus dem Kreis, prescht in die Höhe und fliegt Richtung Horizont. Ich folge ihr, um den Anschluss nicht zu verlieren. Unter mir fliegt die Welt dahin und in der Ferne taucht ein Tafelberg auf. Hier bin ich schon mal gewesen. Gesten Nacht.
Und wieder fliege ich auf die Schwitzhütte zu und tauche in ihr ein. Die alte Frau steht neben Moon und lädt mich ein die Hütte zu betreten. Ihre weißen Augen ruhen auf mir und sie sagt: “Ein alter Freund muss dich bald endgültig verlassen und daher möchte er noch einmal mit dir sprechen. Sein Weg zu Dir war immer voll von Schmerzen, also hat er diesen Weg gewählt. Dreh dich um!“
Und so drehe ich mich um.
In der Tür der Hütte steht Berndt. Nicht der Berndt, wie ich ihn zuletzt in den Armen gehalten habe. In blutbefleckter Uniform und tot mit gebrochenem Blick. Nein, vor mir steht Bernd, wie ich ihn immer Daheim getroffen habe. Jeans, Sneaker, Schlabber-T-Shirt und strahlendem Blick mit einem spöttischen Läscheln auf den Lippen. Der Berndt, der mein bester FReund war.
„Hi, Mike. Wir müssen uns unterhalten“
„Bernie, Du bist tot!“
„Ich weiss! Doch meine Seele lebt weiter und sie will, nein, sie muss endlich weiterziehen und ich brauche Dich, damit das klappt.“
„W -w-w- was?“
„Mir ist klar, dass das für Dich überraschend kommt. Aber meine Zeit hier ist schon lange vorbei. Ich bin bei meinem Tod nicht durch das Licht gegangen. Zu viel war unerledigt. Ich wollte nicht. Ich konnte nicht. Meine Eltern brauchten mich und später sah ich, dass Du mich brauchtest. Ich habe alles beobachtet und konnte doch nichts tun. Auf so vielen Wegen habe ich versucht, dich zu erreichen, aber Dein Schmerz ließ das nicht zu. Daher versuche ich das jetzt und hier.
Mike! Reiß Dich zusammen! Du musst für mich weitermachen!“
„W-was meinst Du?“
Du musst mich endlich gehen lassen. Es ist nicht Deine Schuld, dass ich tot bin. Es war meine Entscheidung in die Armee zu gehen. Es war meine Entscheidung ein Krieger zu sein. Ich habe vor langer Zeit meinen Frieden gemacht, dass ich vielleicht sterben werde. Das war auch Deine Entscheidung. Deshalb bin ich jetzt hier! Und Du musst meinen Platz einnehmen! Als Krieger, als Wächter. Dir wird das alles jetzt nicht einleuchten, aber vertrau mir. Wenn einer meinen Platz einnehmen kann, dann bist Du das.“
„Das is doch irre, Was laberst Du da für‘n Scheiß!“
„Ich möchte, dass Du was für mich tust! Ich will, dass Du meinen Eltern, allen voran meinem Vater hilfst, bei allem, um was er Dich bittet. Kannst Du das?“
„Ja. Klar. Alles was Du willst.!
„Und wenn die Zeit da ist, die Verantwortung als Wächter zu übernehmen, will ich, dass Du meinen Platz einnimmst. Du bist der Einzige, den ich kenne, der die Eier dafür hat. Du hast mir das mein ganzes Leben lang bewiesen. Also wirst Du das schaffen?
„Ich – ich weiss nicht?“
„Muss ich Dich an Deinen Schwur erinnern, Bruder?“
„Fang nicht damit an!“
„Oh doch, Blutsbruder. Wir haben einen Pakt geschlossen und der endet nicht mit dem Tod. Mein Blut fließt in deinem Blut und deins floss in meinem. Der Tod kann das nicht beenden.“
„Wir waren zwölf damals. Da waren wir noch Kinder.“
„Aber ein Schwur ist ein Schwur. Un wir haben ihn ernst gemeint, oder?“
„Ja. Das haben wir!“
„Also wirst Du meine Aufgabe erfüllen, damit ich meinen Weg weiter gehen kann?“
„Ja, ich denke schon.“
„Schwörst Du es bei deinem Blut?
„Ja. Ich schwöre!“
„Dann komm in meine Arme!“
Wir umarmen uns. Lange, kräftig. Ein letztes Mal.
„Werden wir uns wiedersehen, Bernie?“
„Bestimmt. Aber nicht mehr in diesem Leben. Ich danke Dir. Leb wohl.“
Und damit dreht er sich um und ist fort.
Und ich wache auf!
Ich sitze wieder in der Schwitzhütte. Tränen rinnen mir übers Gesicht und vermischen sich mit meinem Scheiß. Ich fühle mich leer. Ich bin fertig. Es kostet mich große Mühe aufzustehen, hinauszugehen und meinen heißen Körper im Schnee abzukühlen.
Am Waldrand bemerke ich eine Bewegung. Sofort schauen meine Augen dorthin. Da ist der Jungwolf Moon. Ihr Name gleitet durch mein Bewusstsein und als ob sie mich hören würde, hebt sie den Kopf und blickt mich an.
Geht das wirklich, denke ich und probier es einfach aus. Komm her, denke ich und schon trottet sie auf mich zu. Schnell, sagt mein Kopf und schon gibt sie Gas und ist in Nullkommanix bei mir. Sie schmiegt sich an meine nackten Beine und ich streichle ihren Kopf.
Ich kann das weiche Fell in meinen Händen spüren. Es ist etwas nass durch geschmolzenen Schnee. Wie kann das sein? Sie ist ein Geist und doch ist sie für mich da. Irre.
Mir wird kalt und ich werfe mir schnell meine klammen Klamotten über. Da ruft wieder der Bussard. Ich wende mich ihm zu. Er sitzt auf dem Dach meines Bauwagens. Ruft er mich? Ich blicke zu meinen Füßen. Moon ist weg. Ich taxiere die Umgebung. Sie ist nicht da.
Im Bauwagen ist es frostig. Das Feuer im Ofen ist ausgegangen. Ich will gerade das Feuer wieder entzünden, da vibriert mein Smartphone. Unbekannte Nummer. Ich gehe trotzdem ran. Könnte ja ein Kunde sein.
„Ja“
„Michael, hier ist Bertold von Trausnitz. Ich habe ja gesagt, dass ich mich melden würde.“
„Oh hallo. So schnell habe ich nicht mit Ihnen gerechnet. Sind Sie nach dem Abenteuer letzte Nacht überhaupt zur Ruhe gekommen?
„In meinem Alter brauche ich nicht mehr so viel schlaf.
Ich würde mich freuen, wenn Sie heute Abend zum Abendessen zu mir kommen würden.“
„Heute Abend? Um wieviel Uhr?“
„So um 18 Uhr? Wäre das in Ordnung?“
„Ähh. Ja. eigentlich schon.
„Also abgemacht! Ich möchte was mit Ihnen besprechen. Und bringen Sie Appetit mit! Bis dann.“
Bevor ich was sagen kann, hat er die Verbindung schon unterbrochen.
Ich setzt mich hin und blicke auf den schwarzen Bildschirm. Hier läuft gerade was ab, was ich absolut nicht verstehe. Irgendwie fühle ich mich wie ein Spielball, der von einem Spieler zum anderen geworfen wird. Ohne die Möglichkeit etwas dagegen zu tun.
Es bleiben noch ein paar Stunden Zeit bis zum verabredeten Abendessen und ich tue das, was mir immer meinen Kopf freigemacht hat: Trainieren und zwar in der Wildnis.
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