Dies ist der nächste Teil der Geschichte „Der Ruf des Bussards“. Wenn Du jetzt gerade erst einsteigst, geh doch mal zum Anfang.
Ich spürte die Kälte, die sich durch meine Kleidung fraß, als ich den Bogen herunter nahm. Unten, am Fuße des steilen Grats, hatte Daniel ein kleines Lager improvisiert. Eine Rettungsdecke hatteer geschickt als Schrägdach über einen Baumstamm gespannt, ihre silberne Oberfläche reflektierte die schützende Wärme des des kleinen Feuers direkt wieder in seinen kleinen Unterschlupf. Es war wohlig warm hier. Gut gemacht! Moon lag eng an ihn gekuschelt. Er murmelte beruhigende Worte in ihr Fell, als er plötzlich überrascht zu mir aufblickte.
„Cooles Setup, Daniel“, sagte ich, meine Stimme rauh von der Anstrengung.
„Mike! Ich bin gestürzt“, seine Worte überschlugen sich, „mein Fuß tut höllisch weh. Und hier ist etwas… etwas Böses. Es hat mich verfolgt.“
„Langsam, Kleiner“, versuchte ich ihn zu beruhigen, obwohl sich mein Magen bereits zusammenzog. „Ich hab’s mitgekriegt. Jemand war hinter dir her. Ich vermute, er wartet am Ziel deines Caches auf dich.“
„Und ich hab einen Hund gefunden! Der ist total lieb! Oh, jetzt springt er wieder weg.“ Daniel zeigte auf Moon, die plötzlich unruhig wurde.
Gefahr! Der Gedanke bohrte sich wie ein spitzer Splitter in meinen Geist, Moons Stimme, klar und warnend. Ich gebot Daniel mit einer Handbewegung still zu sein, zog den Bogen halb aus und spähte ins dichte Schneetreiben. Die Sicht reichte kaum ein paar Meter, nur der Grat, von dem ich mich eben abgeseilt hatte, zeichnete sich schemenhaft ab.
Oben, auf dem Grat, stand ein dunkler Schatten. Rot glühende Augen bohrten sich in mich, und eine eisige Welle der Furcht durchzog mich. Ich zögerte nicht. Der Pfeil flog vom Bogen, schnurgerade, doch er traf nur den Baum neben der Gestalt.
„Verdammt, verdammt!“, fluchte ich. Nervös griff ich nach dem nächsten Pfeil, doch er entglitt mir und fiel in den Schnee.
„FUCK!!“
Ich blickte wieder zur Gestalt. Sie schwebte in der Luft und näherte sich langsam. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Das konnte doch nicht sein! Ich tastete nach dem letzten Pfeil in meinem Köcher, meine Finger zitterten, als ich versuchte, ihn auf die Sehne zu nocken. Doch beim Anheben des Bogens rutschte er von der Pfeilauflage.
„FUCK!!“
Warum war dieses Bogenfenster nur so schmal? Die Gestalt kam näher, vielleicht fünf oder sechs Meter. Endlich bekam ich den Bogen hoch, der Pfeil sauste auf sie zu – und flog einfach hindurch.
„FUCK!!!!!!!!“
Ich ließ den Bogen fallen, packte mein Tomahawk in die eine und mein Messer in die andere Hand. Das hier würde ein brutaler Nahkampf werden. Adrenalin durchflutete mich, schärfte meine Sinne. Zwei Meter vor mir blieb die Gestalt stehen, schwebte regungslos. Sie betrachtete mich, legte den Kopf schief.
„Hallo, Fremder“, sagte eine vertraute, weibliche Stimme, eine Floskel, die ich seit Jahren nicht mehr gehört hatte.
„Kathrin?“
Ein hohes, aggressives, schrilles Lachen zerriss die Stille.
„Ich wusste, dass du den Köder schlucken würdest. Der Junge hat seine Funktion erfüllt. Schön, dass du da bist.“
Die Gestalt schoss auf mich zu.
Showdown
Plötzlich wurde sie seitlich weggerissen. Moon! Sie hatte die Gestalt mit aller Kraft angesprungen, ihre scharfen Zähne tief in deren Seite vergraben. Ein unmenschlicher Schrei gellte durch die Nacht.
„Jetzt, Mike! Das ist deine Chance!“, Moons Ruf donnerte in meinem Kopf.
Die Gestalt drückte Moon von sich weg, die Kiefer der Wölfin schnappten ins Leere. Dann wurde der graue Körper weggeschleudert und verschwand im Schneetreiben.
„MOON!!!“
Doch jetzt gab es keine Zeit zum Zaudern. Ich setzte mich in Bewegung, überbrückte die Distanz zur Gestalt mit wenigen schnellen Schritten. Riss der liegenden Gestalt die Kapuze vom Kopf, und eine wilde, wutverzerrte Fratze blickte mich an: verschrumpelte Haut, tiefe Falten und zwei glühend rote Augen. Das war nicht Kathrin! Ich hob das Tomahawk und rammte die Schneide tief in die Stirn der Fratze. Ihr von Reißzähnen bewehrtes Maul öffnete sich, ein hysterischer Schrei entwich. Flammen züngelten an der Stelle, wo ich getroffen hatte, griffen auch auf den Holzstiel des Tomahawks über. Ich ließ es los und sprang von der lichterloh brennenden Gestalt weg. Sie rappelte sich auf, rannte schreiend in den Wald und wurde schnell von der Dunkelheit verschluckt. Nur das leiser werdende Geschrei war noch zu hören, bis es kurz darauf ganz verstummte.
Aus der Ferne hörte ich, wie mein Name gerufen wurde. Ich wandte mich zum Grat. Dort zuckten Lichtstrahlen von Taschenlampen in der Dunkelheit. Es sah fast so aus, als würde eine Horde Jedi mit ihren Lichtschwertern über den Grat zu meiner Rettung stürmen. Moon stand neben mir, wirkte schwächer, nicht ganz so präsent, aber sie war noch da.
„Hier unten!“, rief ich und machte mich mit meiner eigenen Taschenlampe bemerkbar.
Fortsetzung folgt..
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