Vor einiger Zeit haben wir uns schon mal die ausgewachsene Version des Col Moschin Kampfmessers angesehen. Nun ist auch die kleine, kompakte Version eingetroffen. Diesmal nicht in Taktikschwarz, sondern in der sandfarbenen Camo-Variante Desert Warfare.
Den Namen hat natürlich auch das kleinere Messer nach dem Höhenzug Col Moschin, der in der zweiten Piave-Schlacht im Ersten Weltkrieg von ganz entscheidender Bedeutung war. Die italienischen Stoßtruppen, Arditi genannt, rückten hier gegen die starken Befestigungsanlagen des Gegners, in diesem unbarmherzigen Grabenkrieg, vor und konnten diese Schlacht für sich entscheiden.
Die Verwandtschaft zum Extrema Ratio Col Moschin sieht man dem kompakten Modell sofort an. Die Klingenform ist gleich, nur eben alles viel kleiner. So kommt die Compact-Version nur auf eine Gesamtlänge von nur knapp 21 cm. Die Klinge ist natürlich wieder aus Bohler N690 Kobaltstahl gefertigt, der eine Rockwellhärte von 58 HRC besitzt und natürlich auch nicht rostend ist. Ab Werk wird der Stahl von Hand rasiermesserscharf abgezogen und kommt mit einer Kydex-Scheide und TekLok-Tragesystem.
Das große Col Moschin ist ein hervorragendes Kampfmesser, auf das man sich in Gefechtssituationen sehr gut verlassen kann. Aber es gibt auch Situationen, in denen so ein großes Messer nicht zu gebrauchen ist. Gerade bei verdeckten Operationen in ziviler Kleidung würde solch ein Messer schon auffallen. Auch als Backup Lösung, wenn man nur mit leichtem Gepäck unterwegs ist oder in der dienstfreien Zeit eine hochwertige Rückfallebene haben will, bietet sich ein kleineres Messer an.
Im Gebrauch unterscheiden sich die beiden Messer aber erheblich! War der große Bruder sehr griffig und so auch sehr gut zu führen, geht die Verkleinerung ganz klar auf Kosten des Handlings. Der Griff ist zwar wieder aus dem militärischen Elastomer Forprene gefertigt, aber leider auch deutlich kürzer. Je größer die Hand und je dicker die Finger umso weniger Platz ist dort vorhanden. Zwar ist die Stufe im Griff auch hier vorhanden, fällt aber anders aus. Hier gibt es keine Aufteilung zwei und zwei Finger, sondern einen und drei Finger. Der Platz für den einen Finger unter dem Handschutz ist aber deutlich zu knapp bemessen und nur bei relativ filigranen Finger ist eine gute Griffigkeit vorhanden. Sobald man aber Einsatzhandschuhe trägt, findet man auch damit nur sehr ungenügend Platz.
Ein wirkliches Ärgernis ist aber die Kydex-Scheide! Dies ist umso schwieriger zu verstehen, da bei den großen Extrema Ratio Messer die Scheidenkonzepte wirklich überzeugen und durch ihre vielen Befestigungsmöglichkeiten dem Nutzer kaum Grenzen gesetzt werden. Aber die extrem eckige Kydex-Scheide des Compact bleibt einfach viel zu oft an der eigenen Kleidung hängen und behindert so das schnelle Ziehen der Klinge. Wo Holster und Pistolenhersteller ihre Produkte immer ergonomischer und mit abgerundeten Ecken konzipieren, wird Extrema Ratio wieder sperrig.
Ein weiterer Minuspunkt ist die Verriegelung des Messers. Die Kunststoffzunge, die auf der Seite des TekLok liegt, wird leicht nach außen gebogen, damit man das Messer aufgrund des stufigen Griffes besser ziehen kann. Sollte man das Messer verdeckt unterhalb der Oberbekleidung tragen, bohrt sich das Kydex gerne ins Fleisch. Durch äußeren Druck, beispielsweise durch Sitzfläche und Rückenlehne im Auto, wird das Tragen richtig schmerzhaft. Hier macht sich das eckige Scheidendesign auch noch einmal negativ bemerkbar.
Alle weiteren Ausstattungsmerkmale und die Verarbeitung sind wieder einmal top. Die extreme Stärke der Klinge von 6,3 mm und der durchgehende Erl machen das Messer robust gegenüber härteren Arbeiten, die die Klinge auch mit Seiten- und Torsionskräften beanspruchen. Auch liegt das Gleichgewicht schön mittig knapp unterhalb des Handschutzes. So lässt sich die Klinge gut kontrollieren und ist daher prädestiniert für schneidende Bewegungen.
Insgesamt betrachtet kommt die kompakte Version des Col Moschin nicht auf das gleiche gute Ergebnis, wie der große Bruder. Zu viele kleinere Mängel trüben den Gesamteindruck. Das sind wir bisher von Extrema Ratio nicht gewöhnt. Dass eine Firma, die sich sonst so viele Gedanken über die Scheidenkonzepte ihrer wirklich hervorragenden Messer macht, ein solch eigenwilliges und in manchen Situationen untragbares Futteral entwickelt, hätten wir so nicht gedacht. Auch das Zuviel an Verkleinerung beim Messer selbst ist ärgerlich. Eine Klinge, die in einer Stresssituation nicht richtig in der Hand liegt, nützt dem Nutzer nicht wirklich und kann ihn sogar in große Gefahr bringen.
Daten und Fakten:
Klingenstahl: Bohler N690
Härte: 58 HRC
Klingenlänge: 94 mm
Gesamtlänge: 210 mm
Klingenstärke: 6,3 mm
Preis: EUR 227,-
Bezugsquelle: Knyfe