Schnitzeljagd

Dies ist der nächste Teil der Geschichte „Der Ruf des Bussards“. Wenn Du jetzt gerade erst einsteigst, geh doch mal zum Anfang.

Der Abschied von Boris und Gabriel war kurz, aber herzlich. Gabriel hatte bereits für mich bezahlt, und so glitt ich zu Alex in den Wagen. In Rekordzeit raste er die kurze Strecke zum Elternhaus des Jungen.

Dort angekommen, schärfte Alex mir ein: „Du bist nur Zuschauer. Ich übernehme das Reden.“ Eine sichtlich verzweifelte Frau öffnete uns die Tür. Ich kannte sie. Ihr Sohn war im Sommer im Rahmen eines Schulprojekts in meiner Survivalschule gewesen. Daniel. An ihn erinnerte ich mich gut; er hatte echtes Potenzial in dieser Richtung gezeigt.

„Frau Meier, ich bin Kommissar Berger. Das ist Michael Wegner. Er unterstützt mich bei der Suche.“

„Ach Michael, Daniel hat so oft von Ihnen gesprochen! Er fand die Woche in Ihrer Schule großartig. Sie sind auch Fährtenleser, hat er gesagt. Werden Sie ihn finden?“

Alex sah mich verdutzt an und zog eine Grimasse, doch Frau Meier ignorierte ihn völlig. Ich grätschte ein wenig dazwischen und versuchte, die entscheidenden Informationen aus ihr herauszubekommen.

„Daniel wollte zum alten Sägewerk?“

„Ja. Dort habe ich ihn heute Nachmittag abgesetzt. Er ist Geocacher und wollte einen Schatz suchen.“

„Ah ja, das kenne ich. Zieht er oft allein los?“

„Nein, eigentlich ist Christian immer dabei. Aber der musste heute zu Hause bleiben, weil Familienbesuch kam.“

„Hat Daniel etwas Genaues zu seinem Cache gesagt?“

„Nein, nicht viel. Er war nur sauer, dass Christian nicht mitkonnte. Weil es ein Multi und ein ‚First to Find‘ war, den sie zusammen finden wollten. Für mich sind das böhmische Dörfer, ich habe nicht wirklich verstanden, worum es ging.“

„Ah, okay. Ich habe das schon verstanden. Um wie viel Uhr haben Sie ihn am Sägewerk abgesetzt?“

„So um 14 Uhr.“

Jetzt war es kurz vor 19 Uhr. Daniel war seit fünf Stunden draußen. Die Kälte kroch einem in die Knochen, und weiterer Schnee war für die Nacht angekündigt. Ich sah Alex fragend an, und er schüttelte den Kopf. Ein stummer Abschied, dann gingen wir zu seinem Wagen.

„Worum ging es da genau?“, fragte Alex, sobald wir saßen.

„Geocaching?“

„Grob kenne ich das. Aber die zwei Begriffe?“

„‚First to Find‘ ist ein neuer Cache, der gerade erst veröffentlicht wurde und den noch niemand gefunden hat. Schon ein Wahnsinn, der Erste zu sein. Bei einem Multi muss man mehrere Stationen ansteuern und Aufgaben lösen, deren Lösung den nächsten Punkt verrät. Das kann verdammt knifflig werden.“

„Okay, verstanden. Aber wir fangen erst mal beim Sägewerk mit der Suche an.“

„Aber du weißt doch gar nicht, in welche Richtung du suchen musst.“

„Stimmt, aber ich denke, wir werden Spuren von ihm finden, denen wir folgen können.“

„Ich würde gerne noch mit dem anderen Jungen reden.“

„Bei diesen Wetterverhältnissen und dem angekündigten Neuschnee würde ich jetzt erst mal die Suchteams losschicken. Der Junge ist schon zu lange da draußen. Ich habe keine Lust, kurz vor Weihnachten einen erfrorenen Jungen zu bergen.“

„Alles klar. Ich lasse euch aufs Gelände. Was dagegen, wenn ich mit dem anderen Jungen rede?“

„Mach ruhig. Warst gut gerade da drin! Ich muss die Suche organisieren. Halt mich aber auf dem Laufenden.“

Schnell war ich zurück bei meinem UTV. Nachdem ich den Grafen über die Suchaktion informiert hatte, wies ich Polizei und Suchmannschaft auf das Gelände des alten Sägewerks. Natürlich untersuchte ich auch die Stelle, an der Daniels Mutter ihn aus dem Auto gelassen hatte. Da es am Nachmittag noch einmal geschneit hatte, fand ich kaum Spuren. Es sah aber sogar so aus, als wäre er gar nicht in Richtung Sägewerk gelaufen.

Christians Eltern waren bereits über die Suche nach Daniel informiert worden. Seine Mutter hatte schon angerufen und besorgt nachgefragt. Die Eltern waren sehr hilfsbereit und zuvorkommend. Ich traf Christian in der Küche. Auch an ihn erinnerte ich mich. Er war auch beim Survivalkurs dabei, aber lange nicht so motiviert wie Daniel. Scheinbar war er mehr der ruhige, etwas introvertierte Typ. Doch im Gespräch zeigte er sich erstaunlich offen und hilfsbereit.

„Hey Christian, weißt du, wohin Daniel wollte?“

„Ja. Wir haben in den letzten Tagen zusammen einen Multicache gesucht.“

„Ihr wart da mehrere Tage dran? Waren die Aufgaben so schwierig?“

„Ja, und die Wege zwischen den Stationen sehr weit.“

„Wie meinst du das? Wo fängt der Cache an und wo wart ihr zuletzt?“

„Er fängt am Sägewerk an und führte anfangs über mehrere Stationen um das Werk herum. Aber dann ging er immer tiefer in den Wald. Wir dachten, wir hätten die Aufgaben vielleicht falsch gelöst. Deshalb haben wir gestern abgebrochen, und natürlich, weil es dunkel wurde. Eigentlich wollten wir heute weitermachen, aber ich durfte nicht mit, weil meine Großeltern heute zu Besuch gekommen sind.“

„War Daniel sauer, dass du nicht mitgekommen bist?“

„Ja. Er war im Jagdfieber. Auch gestern konnte ich ihn nur schwer überreden, die Suche abzubrechen. Er will den Cache unbedingt finden.“

„Okay, hast du Aufzeichnungen über die Aufgaben und eure Ergebnisse?“

Christian zeigte mir sein Notizbuch, und ich fotografierte alles mit meinem Smartphone. Auch ein Ausdruck mit den Cache-Informationen aus der Geocaching-App war dabei.

„Hast du eure Ergebnisse noch mal überprüft?“

„Ja. Sie sind aber richtig. Der nächste Punkt wäre am Teufelsloch gewesen.“

„Was?! Das ist fast zehn Kilometer vom Sägewerk weg! Die Suchmannschaft ist am falschen Platz!“

„Hm. Da ist noch was.“

„Was?!“

„In der App ist der Cache nicht mehr zu finden. Ich habe ihn mehrmals gesucht. Er ist nicht mehr auf der Liste. Auch in unseren Foren habe ich nichts mehr über ihn gefunden.“

„Scheiße – Fuck! Entschuldigung. Danke, Christian. Ich muss los!“

„Bitte finden Sie ihn!“

„Werd ich.“

Auf dem Weg zu meinem UTV rief ich Alex an. Er nahm die neuen Informationen alles andere als gut auf und machte sich schwere Vorwürfe, Christian nicht doch sofort befragt und mit der Suche gewartet zu haben.

„Alex, das kannst du jetzt nicht ändern. Nimm deine Leute und kommt zum Teufelsloch. Ich fahre schon mal vor.“

„Wir brauchen mindestens noch eine Stunde.“

„Okay, ich suche den Jungen. Ich bin über CB-Funk erreichbar. Da ist kein Handyempfang. Ach, und Christian sagte, er findet den Cache auf der Plattform nicht mehr. Er ist weg!“

„Was?… Mike, warte auf uns, das riecht nach einer Falle. Vielleicht wurde der Junge dorthin gelockt.“

„Es fängt gerade wieder an zu schneien. Wenn ich eine Stunde warte, sind alle Spuren weg und wir finden den Jungen vielleicht gar nicht.“

„Ist mir klar. Aber du setzt dich großer Gefahr aus. Das ist bestimmt eine Falle.“

„Ich bin vorsichtig. Außerdem hab ich meinen Bogen dabei.“

„Scherzkeks. Wenn der andere ein Gewehr oder sonst was hat, bist du am Arsch.“

„Ich bin vorsichtig.“

Hier findest Du die Forsetzung
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