Nein, mit den „grauen Herren“ aus dem Kinderbuch „Momo“ hat dies nichts zu tun. „Gray Man“ ist eine Bezeichnung für ein urbanes „Low Profile“-Konzept. Es schwappt von professionellen Anwendern zunehmend mehr auf zivile Nutzer über, und die Hersteller bieten auch immer mehr passende Produkte dafür an. Wir erklären das Konzept und zeigen Beispiele für die Ausrüstung.
Seien wir doch einfach mal ehrlich: Taktisches Equipment ist cool! Nicht umsonst gibt es den Begriff des Tacticool. Man kann sein Equipment ganz individuell auf die eigenen Bedürfnisse anpassen. Nur das tragen, was man persönlich braucht.
Jeden Rucksack auf sämtliche Eventualitäten aufpimpen – und noch mit jeder Menge Moral Patches ausstaffieren. Dazu trägt man eine militärische Cargohose, möglichst im Camo-Look, deren Beintaschen zum Bersten voll sind. An den Cobra-Gürtel hängt man noch zig Zusatztaschen für Messer, Taschenlampe und Pfefferspray. Dazu noch eine derbe Militärjacke mit Abzeichen und eine Coyote-Cap mit nachtleuchtendem „Punisher“-Patch.
Steigt man in diesem Outfit in den Bus oder die U-Bahn zeigt man seinen ganz persönlichen taktischen Stil. Man fällt einfach auf, zeigt seine Individualität und grenzt sich von der breiten Masse ab.
Dies ist sicherlich ein sehr überzeichnetes Beispiel. Aber es wird sicherlich klar, dass man mit solch einem Outfit extrem auffällt. So sehr, dass man Fremden lange im Gedächtnis bleibt. Das kann ein Nachteil sein.
Kommt man in eine gefährliche Situation – ob nun Straßenkriminalität oder Terrorakt – macht man voll „aufgerödelt“ die Angreifer auf sich aufmerksam. Entweder wird man vom Täter für einen Soldaten oder Polizisten außer Dienst gehalten oder anderweitig als „hartes Ziel“ (wehrhaft) eingestuft.
In beiden Fällen wäre die größte Bedrohung für den Erfolg der Täter als Primärziel zuerst auszuschalten – schlechte Karten für Tacticool!
Um einmal selbst zu überprüfen, wer aus der Menge hervorsticht, gibt es eine ganz leichte Übung: Am Besten begibt man sich an einen belebten Ort. Das kann ein Einkaufszentrum, die Fußgängerzone der Innenstadt, ein Bahnhof oder ähnliches sein. Dort setzt man sich auf eine Bank oder vor ein Café oder eine Kneipe und beobachtet all die Menschen, die an einem vorbei kommen. Welcher Mensch in der Masse fällt auf? Und welcher nicht?
Aus dieser Übung kann man ableiten, wie man sich kleiden sollte, um nicht aufzufallen. Diese Übung kann man auch als Tourist in einem fremden Land machen. So erkennt man, was die Einheimischen tragen und kann sein Outfit so angleichen, dass man nicht direkt als Tourist erkannt wird. Das kann einen vor Diebstahl, Raub oder sogar Entführung schützen.
Gray Man: Low Profile in der Praxis
Natürlich geht es hier nicht darum, um jetzt möglichst nicht mehr aufzufallen, sofort die gesamte taktische Ausrüstung wegzuwerfen, ins nächste Modegeschäft zu rennen und Designer-Klamotten zu kaufen.
Wie eingangs erwähnt, haben viele Ausrüster den Trend erkannt und bieten eher unauffällige und zivile Kleidung und Taschen an. Das Geniale an der Sache ist, dass diese Produkte dennoch taktische Eigenschaften und Funktionen aufweisen – obwohl sie gar nicht danach aussehen.
Viele dieser speziellen Produkte wurden durch Rückmeldungen von Kunden aus dem polizeilichen Bereich entwickelt. Gerade bei Überwachungen von Personen oder beim Zugriff in der Öffentlichkeit, ist verdecktes Vorgehen das As im Ärmel. Erkennt die Zielperson die Beamten zu früh, ist der ganze Einsatz umsonst gewesen.
Das Konzept dahinter heißt im offiziellen Behördenjargon „low Profile“, wird aber gerne mit dem griffigen Schlagwort „gray Man“ bezeichnet.
Neben unauffälliger Kleidung ist die passende Zusammenstellung der Ausrüstung ist ein großes Thema für gray Men. Bei vielen Nutzern ist das Every Day Carry (EDC) bereits ziemlich umfangreich. Will man es im Direktzugriff am Mann tragen, wird meist eine Gürtel- oder sogar Hüfttasche benötigt.
Eine größere Menge an Ausrüstung fällt im urbanen Alltag definitiv auf. Zuwenig soll es andererseits natürlich auch nicht sein. Viele kennen das Gefühl: Wenn man beispielsweise immer ein Messer am Mann trägt, wird ein Disco- oder Konzertbesuch ohne, schon eigenartig. Ein mulmiges Gefühl macht sich da breit.
Die Grundfrage des Gray Man ist: Wie packen und sich kleiden, ohne aufzufallen und zur Zielscheibe zu werden? Und vor allem will man auch wirklich schnell an sein Equipment herankommen, wenn Not am Mann ist.
Im Alltag getarnt
Wie kleidet sich nun ein gray Man? Camo ist in der Stadt nicht die Farbe der Wahl. Auch ein neon-grelles T-Shirt oder die Heavy-Metal-Kutte fallen auf. Ja sogar das Shirt der eigenen Kampfsport-Schule, kann Leute motivieren, auszuprobieren was der Träger „drauf hat“. Auch auffällige „taktische Marken-Logos“ sorgen dafür, dass man heraussticht.
Im urbanen Alltag sind gedämpfte Farben eindeutig Trumpf: Schwarz, Braun, Dunkelblau oder eben die „urbane Tarn-Farbe“ Grau (siehe Seite XX). Komplett in einer Farbe herum zu laufen ist dann aber auch kontraproduktiv.
Ganz schwarz mag in einer Gothic-Night in der Disco durchgehen. Im morgendlichen Berufsverkehr im Bus sieht das schon anders auch. Und ganz coyote-braun ist man in der Stadt nicht gut getarnt, sondern wird vermutlich UPS-Boten gehalten. Im Folgenden stellen wir einige Produkte beispielhaft vor.
Clawgear Rapax Softshell-Jacke
Die Softshell-Jacke fällt durch ihren schlanken Schnitt kaum auf. Zwar gibt es am Ärmel Klettflächen. Diese sind aber sehr weich und farblich auf die Jacke abgestimmt. Solange man dort keine auffälligen Patches anbringt, bleibt man mit ihr unter dem Radar. Dazu gibt es fünf dezente Taschen, in denen man sein Equipment unterbringen kann. Ansonsten bietet sie einen guten Regen- und Windschutz und ist sehr leicht und klein packbar.
Preis: EUR 129,90
Hersteller: Clawgear
Bezugsquelle: Tacticready
Helikon-Tex UTP Jeans
Nichts wirkt in der Stadt ziviler als die allgegenwärtige Jeans. Das haben viele Hersteller erkannt. Ein Schmankerl sind die Urban Tactical Pants von Helikon-Tex. Der dunkelblaue Denim-Stoff passt sich durch seinen Stretch-Anteil optimal an den Körper an. Die Bewegungsfreiheit ist enorm. Es gibt viel Taschen, die mit Klett oder Reißverschluss gesichert sind und sehr körperbetont eng anliegen. Dadurch fallen sie nicht auf und es kann einiges an Equipment verstaut werden.
Preis: 78 Euro
Hersteller: Helikon-Tex
Bezugsquelle: Tacticready
MTP Schnitthemmendes T-Shirt
Das T-Shirt aus wirkt optisch wie ein normales Sport-Shirt – aber es besteht zum Großteil aus Dyneema-Fasern und ist nach DIN EN 388 schnitthemmend zertifiziert. Zusätzlich enthaltene Fasern aus Funktions-Material sorgen für einen guten Feuchtigkeitstransport. Für antibakterielle und geruchsneutrale Eigenschaften wurde das T-Shirt zusätzlich noch einer Nano-Behandlung unterzogen
Preis: EUR 159,90
Bezugsquelle: Bestequipment
Highlander Echo Boots
Einsatzstiefel mit hohem Schaft sind auch im Alltag von Vorteil: Sie bieten deutlich mehr Stabilität, wenn es mal schnell gehen und man nur laufend das Gleis wechseln muss, um die S-Bahn noch zu erreichen.
Okay, der militärische Look von Einsatzstiefeln lässt sich nicht leicht verbergen. Aber hier gibt es einen ganz einfachen Trick: Stiefelschaft unter die Hosenbeine – und schon wirken sie optisch auch nicht anders als robuste Arbeitsschuhe. Der Echo Boot von Highlander besteht aus einem praktischen Mix aus Leder- und Cordura-Einsätzen, die für ordentliche Atmungsaktivität sorgen.
Preis: EUR 69,95
Hersteller: Highlander Gear
Bezugsquelle: Recon Company
Equipment für den Gray Man
Eine unauffälliges EDC gehört direkt an den Körper. Am besten im Schnellzugriff direkt an der äußeren Schicht der Kleidung. Und doch soll es klein und leicht sein und nicht direkt ins Auge fallen.
Eine gute Alternative zum Einhandmesser wäre ein kleines Fixed, das leicht schräg im Cross-Draw vorne am Gürtel befestigt wird. So hat man die Möglichkeit in einer Stresssituation mit beiden Händen an das Messer zu kommen und dieses wäre direkt einsatzbereit.
Sacha Thiel Nexus
Das Nexus ist ein kleines Neckknife des französischen Messermachers Sacha Thiel. Durch die schlanke Form ist es sehr gut verdeckt am Gürtel zu tragen. Wer es noch flacher mag, nimmt einfach die Holz-Griffschalen ab. Auch wenn es nur ein Neckknife ist bietet es mit 8,5 Zentimeter langer Klinge einen guten Kompromiss im EDC-Bereich. Der N690-Stahl ist gleichermaßen widerstands-fähig und schnitthaltig, wie auch rostbeständig.
Preis: 145 Euro
Hersteller: Sacha Thiel
Bezugsquelle: G-Gear
Ruger Bolt Action Pencil
Der Tactical Pen kommt abgesehen vom Marken-Logo des Waffenherstellers optisch sehr unscheinbar daher: Der schlanke Aluminiumkorpus wirkt erfreulich „untaktisch“, obwohl er schwarz beschichtet ist. Der Hebel zum Ausfahren der Schreibspitze ermöglicht die komplett einhändige Bedienung – keine Kappe, die abgeschraubt werden muss. Der spezielle Bolt-Action-Mechanismus ist robust genug dafür.
Preis: EUR 54,95
Hersteller: CRKT
Bezugsquelle: Böker Manufaktur
Walther SLS210
Eine kompakte Pen Light trägt in der in der Hosentasche nicht zu sehr aufträgt. Durch den Clip kann sie am Hosentaschenbund befestigt werden und ist so schnell griffbereit. Die Abmessungen ähneln einem Kobutan, und so hat sie genau die richtige Größe für die Selbstverteidigung. Die Walther SLS210 bietet zwei Leuchtstufen von rund zwölf und 130 Lumen und lässt sich durch den Endkappenschalter leicht bedienen. Weitere Infos und Modell-Vorschläge in unserem großen Vergleichstest Pen Lights ab Seite 90.
Preis: EUR 29,95
Bezugsquelle: Umarex
Natürlich kann man sein EDC noch weiter anpassen. Ein Handy, die Geldbörse und der Schlüsselbund gehören sicherlich auch dazu. Aber eine gutes Messer und Licht in der Dunkelheit sind immer eine gute Wahl.
Aber was ist wenn man länger unterwegs ist? Will man zur Arbeit oder in die Uni, hat man sowieso einiges Gepäck dabei: Notizbüchern, Stifte, Tablet oder Notebook und eine Trinkflasche – dazu kommt dann noch das taktische EDC.
Viele Nutzer, die mit Bus und Bahn längere Zeit zur Arbeit pendeln, sehen ein „kleines“ EDC gar nicht selten als nicht mehr ausreichend an. Survival- und Medi-Pack wollen mit, Ein robusteres Messer, eine stärkere Taschenlampe oder mehr Verteidigungsmittel. Es kann ja viel passieren…
5.11Tactical Covrt Satchel
Die Covrt-Reihe ist bei 5.11 schon lange Jahre im Programm. Es gibt unterschiedliche Taschen und Bekleidungsstücke, die auf verdecktes Tragen von Ausrüstung optimiert sind.
Auch diese Umhängetasche ist äußerlich nicht von zivilen Modellen unterscheidbar. Im großen Hauptfach gibt es eine kombinierte MOLLE-/Klettfläche an denen taktische Taschen befestigt werden können. Im schmalen Organizer-Fach findet ein 13-Zoll-Notebook gut Platz. Zudem sind dort unterschiedliche Einschubfächer für Kleinteile vorhanden.
Der Clou: Im Ernstfall kann die Tasche vor dem Oberkörper, wie ein Plattenträger oder eine Einsatzweste getragen werden. so hat man alles schnell parat. in unserem Fall haben wir die Tasche noch zusätzlich aufgerüstet: In das Notebook-Fach wurde eine Aluminium-Platte einer nicht mehr genutzten Schlag- und Stichschutzweste eingeschoben. So kann der Satchel gegen Messer oder Schlagstöcke auch als Schild eingesetzt werden.
Preis: EUR 99,95
Hersteller: 5.11Tactical
Bezugsquelle: Tacticready oder Bestequipment
Piexon Guardian Angel 3
Das Erfolgsmodell Guardian Angel der Schweizer Firma Piexon geht in die dritte Runde. Das Tierabwehrgerät bietet zwei Schuss mit je sechs Milliliter hochwirksamer Pfeffer-Lösung. Durch die pyrotechnische Treibladung wird der Wirkstoff mit sehr hoher Geschwindigkeit auf Angreifer verschossen und wird nicht durch Seitenwind abgelenkt. Der Guardian Angel 3 besitzt einen Kunststoffclip und kann so auch direkt am Gürtel befestigt werden. Er kommt in drei Farben und es gibt ein optionales Laservisier.
Preis: EUR 38,95
Hersteller: Piexon
Bezugsquelle: KH-Security