Macht wandern glücklich?

Ich würde diese Frage sofort und immer wieder mit ja beantworten. Warum ich diese Entscheidung immer so treffen würde, erklär ich Dir jetzt.

Heute war es echt arschkalt. Die Nacht schon minus irgendwas und am Morgen minus 8 Grad. Ich schau aus dem Fenster und alles ist mit gefrorenem Reif bedeckt: Bäume, Sträucher, Dächer, Autos. Einfach alles.

Bei mir war mal wieder die Heizung ausgefallen. Ob ich daheim bleibe oder draußen wandere, ist eigentlich egal – es wird für mich ein kalter Tag. Draußen mag ich die Kälte lieber und Daheim  würde ich nur in meinem Bett bleiben und das ist mir, gelinde gesagt, einfach zu langweilig.

Also fasse ich ein grobes Ziel von meiner Haustüre aus und gehe einfach los. Das große Waldgebiet Burgholz zwischen Wuppertal, Remscheid und Solingen ist mein Ziel – so grob. Eine Wanderung habe ich nicht im Kopf, ich will nur die Kälte auf Fotos bannen.

Also den Wanderrucksack geschulter und ohne Plan einfach los gelaufen. Ja, so liebe ich das. Das ist für mich schon Abenteuer! Einfach einen Schritt vor den anderen setzen und schauen, wo mich mein Bauchgefühl hin führt.

Nach drei Kilometern Asphalt und City betrete ich endlich Wald. Ich kämpfe mich oberhalb vom Zoo den Berg steil nach oben zu meiner ersten Station: der Von-der-Heydt-Turm. Ihn will ich mit der Infrarottechnik fotografieren. 

Auch das fährt mich runter. Mich auf ein Motiv zu konzentrieren, den richtigen Ausschnitt wählen, die Einstellungen vornehmen und den Auslöser drücken. Da bin ich genau in diesem Moment. Das spüre ich so intensiv! Ich nippe an meinem, noch heißen, Kaffee und mache mich wieder auf den Weg.

Insgesamt bin ich in über  vier Stunden etwas über zwanzig Kilometer gewandert und fühle mich traurig, dass die Tour schon vorbei ist. Aber währenddessen war ich total glücklich und ruhte so in mir selbst. Ich war ich. Nur ich. Und das war gut!

Aber ich will Dir gar nicht so sehr erzählen, was ich auf der Tour alles gemacht habe und welche Orte ich besucht habe. Das siehst Du ja eigentlich auf der Tourenkarte von Kommod. Es geht ja hier eher darum, was mich beim Wandern glücklich macht.

Seit meiner Long Covid Erkrankung hat meine Sportlichkeit gelitten. Es gibt Sachen, die ich immer noch nicht wieder kann. Aber gehen, das kann ich. Vielleicht noch nicht wieder so weit, wie früher. Aber aus dem Stegreif heraus zwanzig Kilometer abzureißen, werte ich für mich als Leistung.

Schon das macht mich glücklich!

Aber die Zeit mit mir alleine im Wald zu sein, auch gerade in dieser gefrorenen und vereisten Einsamkeit, erdet mich und erfüllt mich mit Freude.

Das dieses recht preiswerte Abenteuer, bei dem man nur einen Fuß vor den anderen setzen muss, so einfach erleben kann. Man ist Entdecker, wenn man einen Pfad findet, den man noch nie gegangen ist. Auch wenn man erkennt, dass man ihn schon kennt, aber schon Seite langer Zeit nicht mehr gegangen war.

Die Einsamkeit, die man empfindet, wenn sie einen anschreit, weil keiner da ist, der einem die Ohren volllabert. Und endlich hört man sich selber , aber nicht die ständig nörgelnde Stimme, die einen runterzieht. Sondern das Kind, das staunt, was es alles gibt und Dir sagt: Boah, schau mal da, wie cool!

Ja, diese Zeit mit mir selbst liebe ich. Der Alltag und der Trubel der Stadt ist oft viel zu sehr vorhanden, dass ich das Kind in mir nicht hören kann. Aber, wenn ich unterwegs bin, dann höre ich es laut rufen und es tollt mit mir durch die Natur und ist glücklich.

Und wenn das Kind in mir glücklich ist, dann bin ich das auch!