Long-Covid: Pacing

Pacing ist das wichtigste Instrument, um bei der Genesung von Post-Covid weiter zu kommen.  Nach der Akzeptanz des eigenen Energievolumens pro Tag, kann man über richtiges Pacing vernünftig mit den eigenen Energiereserven umgehen.

Pacing kommt vom englischen Pace und bedeutet soviel wie Stufe oder Geschwindigkeit. Viele Läufer kennen Pace als die Zeitdauer, die man für ein Entfernungsintervall benötigt. Also wie lange braucht man aktuell, um einen Kilometer zu laufen.

Warum laufen? Wir wollen uns doch nicht zu sehr belasten. Das stimmt, es ist wichtig den eigenen Energiehaushalt über den Tag so zu steuern, dass man sich nicht überlastet. Denn jede Form der Überlastung führt bei Post-Covid zu einem Rückschritt, einem enormen Einbruch oder dem kompletten Zusammenbruch der eigenen Leistungsfähigkeit.

Ich habe alle drei Formen bisher mitgemacht. Vier Wochen nach Ende der Infektion bin ich an einer Steigung gescheitert. Mein Puls explodierte und die eigenen Leistung war im Arsch und ich wieder im Krankenstand. Seitdem gibt es immer wieder Tage, da bricht meine Leistung ein und der Fortschritt der letzten Tage ist dahin. Auch leichtere Einbrüche gibt es immer wieder mal, wenn das Pacing nicht stimmt.

Als Sportler mit begrenzten Energiereserven klarzukommen, empfinde ich als sehr schwer. Man ist an das alte Sportsystem gewöhnt, nach erbrachter Leistung beim nächsten Training ordentlich was drauf zu packen. Sich in der Belastungsphase dann richtig auszupowern, um weitere schnelle Leistungssteigerungen zum provozieren. Das geht mit Post-Covid aber garantiert in die Hose!

Hier muss man sehr viel sanfter und langsamer vorgehen. Leistungsspitzen sollte man zunächst vermeiden. Experten in Sachen Post-Covid empfehlen einen Aktivitätspuls von 120 Schläge in der Minute nicht zu überschreiten. Das ist gerade mal das doppelte vom Ruhepuls. Das erreiche ich schon wenn ich einigermaßen langsam einen Berg hoch gehe. 

Trotzdem soll leichtes Ausdauertraining durchaus positive Effekte zeigen.

Dennoch liegt der Fokus hier tatsächlich auf gehen. Nicht marschieren, nicht schnell gehen und nicht laufen oder gar rennen. Gehen ist hier das Mittel der Wahl, um den Puls nicht allzu sehr in die höhe zu treiben.

Am Besten sucht man sich eine Strecke, die nicht zu anspruchsvoll ist. Möglichst flach, wenn Steigungen, dann nicht zu hoch und zu steil. Tja und dann geht man einfach los und auch ich ging einfach los. Der Pulsmesser meiner Uhr eingestellt auf das 120er Limit und wirklich nicht schnell. 

Anfangs war mein Pace bei fast 15 Minuten für einen Kilometer. Weit kam ich auch nicht. Inzwischen hat sich das schon geändert. Ich bin deutlich flotter (12 Minuten/km) und die Strecken werden auch immer länger. Meine reguläre Strecke, die ich mehrmals am Tag versuche zu gehe, ist derzeit 2,5 bis vier Kilometer lang. Ich habe auch schon Wanderungen mit zehn Kilometern gemeistert, obwohl ich dann für den Rest des Tages nicht wirklich viel Energie übrig hatte.

In der Kurzzeitbelastung kann ich die 120 Schläge pro Minute durchaus überschreiten, aber nicht mehr als zwei oder drei Minuten lang. Daher versuche ich, hier immer wieder Pausen einzulegen, um den Puls zu beruhigen.

Anspannung und Entspannung

Beim Pacing ist auch die richtige Mischung aus Anspannung und Entspannung wichtig! Wie gerade beschrieben, muss ich, wenn mein Puls zu hoch ist, den Puls wieder senken können, indem ich eine Pause mache. Auch nach einer Ausdauer-Geh-Einheit ist Entspannung angesagt. In der Regel folge ich da klassischen Meditationstechniken. Die Einfachste ist Konzentration auf die tiefe Bauchatmung. Der Fluss von Ein- und Ausatmung beruhigt das Nervensystem und sorgt für Entspannung.

Auch geführte Meditationen empfinde ich als sehr hilfreich, um mich runterzufahren. Die kostenlose App „Insight Timer“ ist hier sehr interessant. Kostenlose geführte Meditationen auch in deutscher Sprache, sind zu meinem Quell der Entspannung geworden. Einfach mal zehn oder fünfzehn Minuten den Übungen folgen und aus dem Alltag aussteigen, ist sehr hilfreich. 

Überlastungssignal

Ich habe bei mir inzwischen einen Indikator gefunden, der mir signalisiere, dass ich mich der Überlastung nähere. Ein leichter Kopfschmerz zeigt mir an, dass es Zeit ist, Pause zu machen. Oft ist es nur ein Aufflammen für ein paar Sekunden im Kopf, der signalisiert, dass es genug ist. Darauf sollte ich hören, meine Aktivität darauf abstimmen und zum Ende kommen.

Ignoriere ich dieses Signal, kommt der Kopfschmerz mit brachialer Wucht zurück und ich bin nicht mehr zu gebrauchen. Dies ist das ganz klare Signal der Überlastung. Ab hier falle ich zurück in meinem Fortschritt. Dieser Rückschritt kann meine Arbeit der letzten Tage oder Wochen zunichte machen und ich starte am nächsten Tag mit einer deutlich reduzierten Belastungstoleranz.

Nach dem ersten Warnsignal bin ich zwar auch schon in der Überlastung, kann aber mit langsamerer Geschwindigkeit und Entspannungstechniken sehr gut dagegen wirken. Ist aber der Kopfschmerz richtig da, hilft auch das nicht mehr. Daher ist es wichtig, in jeder Anspannungs- oder Belastungsphase auf die körperlichen und geistigen Rückmeldungen zu hören, damit man seine Fortschritte nicht zunichte macht.

Kognitives Pacing 

Meine Konzentrationsfähigkeit und alles, was ich mit dem Gehirn bearbeiten muss, hat auch seine Belastungsgrenzen. Auch hier muss ich Pacing anwenden, um mich nicht zu überlasten. 

Dieser Artikel entstand auch in mehreren Etappen. Und ich meine nicht, dass ich zwischendurch mal ein Päuschen gemacht habe. Insgesamt schreibe ich hier schon seit zwei Wochen herum.

Ich merke, dass meine körperliche Belastungsfähigkeit sich weitaus schneller regeneriert, als meine Konzentrationsfähigkeit. Schon normale Gespräche mit Nachbarn oder Freunden ermüden mich sehr schnell. Arbeit am Blog oder das Verfassen von Artikeln laufen äußerst schleppend.

Das Lesen eines Sachbuches ist auch eine ziemliche Quälerei und ich muss hier immer wieder lange Pausen machen, um nicht von der Leistung einzubrechen. 

Leider ist es nicht so, dass ich dann in einer Pause einfach das System switchen kann und dann halt körperliche Übungen als Ausgleich betreiben kann. Es ist eher so, dass ich mich dann wirklich ausruhen muss. Eine Meditation, ein Nickerchen oder einfach vor mich hin starren, den Blick in Weitwinkelstellung und einfach wieder runterkommen.

Es ist tatsächlich so, dass die eigene Belastungsfähigkeit aus einer physischen und und einer geistigen Komponente besteht. Beide Komponenten befinden sich in einer Abhängigkeit zueinander. Man kann zwischen beiden Systemen nicht einfach wechseln, damit sich das jeweils andere System ausruhen kann.

Genau hier ist die größte Schwierigkeit der eigenen Pacingstrategie versteckt. Überlastet man nur ein System, bricht auch das andere System ein. Beim Training der Belastung aber, haben beide Systeme jeweils ein andere Regenerationsfähigkeit und Steigerungsrate. 

Fazit

Pacing ist schwierig, aber ungemein wichtig, um nach einer Covid-Infektion wieder auf die Beinen zu kommen. Auch nichts zu tun oder sehr gering zu belasten kann in der persönlichen Situation immens wichtig für die Regeneration sein.

Die eigene Leistungsfähigkeit ist eine ganz persönliche Sache. Daher ist die eigene Pacingstrategie extrem individuell. Was bei mir klappt, klappt bei jemand anderem vielleicht nicht.

Persönlich sehe ich langsam Licht am Ende des Tunnels, das langsam näher und heller wird. Trotzdem empfinde ich die Steigerungsschritte als sehr langsam, schleppend und zermürbend. Als Sportler bin ich anderes gewöhnt. Aber ich kann es nicht ändern. Mein Weg ist derzeit eher langsam aber stetig auf das Ziel gerichtet.

Es ist eher wie ein Mammutmarsch und nicht wie ein Marathon. Es geht wirklich langsam und das muss ich akzeptieren